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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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nicht retten. Die Menschheit war für Böswilligkeit ebenso taub wie für Klagelieder, deshalb konnten die drei, die gelernt hatten, sich als Moksha, Turiya und Samadhi zu bezeichnen, sie leicht führen, leicht bemeistern und leicht für ihre Zwecke einspannen. Und so nahm der Umfang des Gemetzels an den Bäumen von Generation zu Generation rasch zu.«
    Hier machte Anele eine Pause; er ließ seine Knie los, um sich unerwünschte Tränen aus dem Schmutz auf seinen Wangen zu reiben. Seine blinden Augen starrten die zertrümmerten Felsblöcke auf dem Geröllfeld an, als sehe er den lange zurückliegenden Augenblick ihres Zerspringens vor sich. Um ihn herum säuselte die Brise und brachte den Eishauch von Gletschern mit sich, als die Berggipfel im Westen die Sonne auszusperren begannen. Linden wartete in atemloser Anspannung darauf, dass Anele weitersprechen würde. Als seine Arme wieder die Knie umschlangen, fuhr er schließlich fort: »Trotzdem konnte der Einholzwald nur weinen und klagen, denn er war außerstande, sich zu verteidigen.« Lautlose Tränen, die von Trauer und Zorn kündeten, liefen in seinen Bart. »Trotz seiner Größe lebte auch er in Unwissenheit. Er kannte nur sich selbst und Schmerz, deshalb hatte er keinen Begriff von seiner eigenen potenziellen Macht. Aus Erdkraft geboren, durch Erdkraft erhalten und mit Erdkraft vertraut, konnte der Einholzwald nicht begreifen, dass Erdkraft sich auch anders nutzen ließ.
    So schritt die Vernichtung der Bäume immer rascher fort, als der Ehrgeiz der Menschheit und der Wüteriche wuchs. Und zu diesem Kummer kam ein weiterer Verlust – untrennbar mit dem ersten verbunden, aber bitterer und tödlicher. Mit jedem Baum, der gemordet wurde, ging ein kleines Stück der das ganze Land bedeckenden kollektiven Empfindung des Waldes verloren, ohne jemals erneuert oder ersetzt werden zu können. So wurden die Wünsche der Wüteriche erfüllt. Als das Gemetzel an den Bäumen weiterging, verlor der Einholzwald das Wissen über sich selbst, sodass er langsam in Schlaf und Untergang abglitt. Und dieser Schmerz war unerträglich groß.« Anele selbst konnte ihn kaum bezähmen. »Sogar die Berge konnten ihn nicht ertragen. Gipfel zersprangen aus Kummer und stummem Widerspruch. Auch diese Felswand hier spaltete sich, wie ein Herz vor Trauer und Zorn und Hilflosigkeit zerspringt.« Einen Augenblick lang schien Anele die zersprungenen Wände anzustarren, Teil ihres uralten Sehnens zu sein. Sie bedurften seiner sterblichen Zunge, um ihren unendlichen Schmerz auszudrücken. Ein kalter Lufthauch, wie ein kummervolles Seufzen, strömte an ihnen vorbei zu Tal. Aber dann ruckte Aneles Kopf auf die andere Seite, und er schien ein Lied neuer Art zu finden. Seine Stimme sank zu einem Murmeln herab, das Linden unmöglich hätte verstehen können, hätte nicht jedes Wort dieses Klagelieds der Steine einem Obsidiansplitter geglichen: scharfkantig und klar.
    »Die Erde selbst hörte diesen Schrei. Jedes vernunftbegabte Wesen auf der ganzen Erde hörte ihn. Und endlich, als das Untere Land schon baumlos war und die Verwüstung des Oberen Landes begonnen hatte, wurde der Schrei beantwortet.« Anele beugte sich plötzlich nach vorn. »Dort.« Mit einem zitternden verkrümmten Finger deutete er auf die Mitte des steil abfallenden Trümmerfelds. »Dort steht es geschrieben – das Kommen einer Elohim. « Abendlicht füllte seine Mondsteinaugen. »Viele Jahrhunderte nach dem Aufstieg der Wüteriche, als die kollektive Empfindung des Einholzwaldes nur mehr eine erlöschende Glut war, erschien ein Wesen, wie die Bäume es nie gekannt hatten, unter ihnen und sang von Leben und Wissen, von unheimlicher Macht, die die Kräfte jedes Wüterichs überstieg. Und es sang auch von Vergeltung. Weshalb die Elohim erst so spät und nicht schon früher kam, nicht bevor so viel verloren gegangen war, können diese Steine nicht begreifen. Aber sie kam – oder er, denn Elohim sind eigenartig und durch solche Unterscheidungen nur ungenügend beschrieben. Und ihr Lied erweckte die verbliebenen Überreste des Einholzwaldes und seine Macht.«
    Diesen Teil der Geschichte kannte Linden bereits. Findail der Ernannte hatte ihn den versammelten Suchern nach dem Finden des Einholzbaums an Bord des Riesen-Schiffs Sternfahrers Schatz erzählt. Trotzdem hörte sie weiter mit konzentrierter Aufmerksamkeit zu. Anele sprach mit einer Eindringlichkeit, die sie weder in Gänze erfassen noch ignorieren konnte.
    »Die Bäume«, erzählte

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