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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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die anschwellende Wolfsflut zu betrachten. Ein schwacher Schrei erreichte sie zwischen dem Geheul und den Echos, als er sich aufrappelte und auf die freigelegte Granitplatte torkelte. Er schaffte drei Schritte, vielleicht vier. Dann fiel er nach vorn und blieb unbeweglich liegen.
    »Schneller!«, forderte sie Stave keuchend auf. »O Gott, Anele .«
    Diesmal hörte der Haruchai auf sie. Er rannte los, setzte zu einem Spurt an. Hinter ihnen stieg Liand mühsam weiter so rasch über die Felsen auf, wie sein Pferd sie erklettern konnte.
    Wenige Herzschläge später erreichte Stave die Felsplatte, war mit zwei, drei raschen Schritten bei Anele. Dort setzte er Linden ab. Sie sank sofort auf die Knie und stellte fest, dass der Alte wie vor Entsetzen keuchte.
    »Anele? Was ist mit dir?« Ihr Sinn für das Gesunde hatte zu weit abgenommen, um die Ursache seiner Verzweiflung zu erkennen. Sie wusste nur, dass er seine unerklärlichen Körperkräfte keineswegs erschöpft hatte. Aber als sie seinen Arm berührte, merkte sie, dass er innerlich Schmerzen litt, die ihn lähmten, spürte in ihm Reue und Vernunft. Hinter dem Wasserfall hatte sie ähnliche Emotionen erspürt, dennoch gab es wesentliche Unterschiede zwischen seiner jetzigen Aura und der vorigen. Hinter dem Wasserfall hatte er sich vor Selbstvorwürfen gewunden, unter den Folgen seines angeblichen Verbrechens gelitten.
    Ich habe den Stab verloren!
    Hier war seine Verzweiflung essenzieller. Aneles Ängste schienen aus den Grundfesten seines Lebens aufzusteigen – aus dem Grundgestein, auf dem seine Verpflichtungen und Überzeugungen einst gestanden hatten. Obwohl er sich nicht bewegte, schien er ihr entgegenzukommen, als hätte ihre Berührung ihn irgendwie heraufbeschworen – aus einem Abgrund zurückgerufen, damit er mit ihr reden konnte.
    »Wie war das möglich?«, keuchte er, als antworte er ihr. »Ich war nicht blind. Nicht taub.« Der Widerhall hungrigen Geheuls übertönte für einen Augenblick seine Worte. »Ich habe gespürt, dass es falsch war. Ein Ding, das Gesetz von Gesetz trennte. Trotzdem habe ich ... Weshalb werde ich nicht niedergestreckt? Ich verdiene nicht, zu leben. Wie kommt es, dass ich weiterleben darf, obwohl ich das ganze Land in Gefahr gebracht habe?«
    In diesem Augenblick klapperten Somos Hufe auf die Felsplatte. Der Schecke, den Liand hinter sich herzog, machte neben Stave halt und prustete Schaum und Angst aus den Nüstern. Seine Augen rollten wild. Hätte Liand das Zaumzeug des Mustangs nicht festgehalten, mit hartem Griff umklammert, hätte Somo sich vielleicht herumgeworfen und wäre in den Rachen der Wölfe geflüchtet.
    »Anele.« Linden packte den Alten an den hageren Schultern und drehte ihn so um, dass er auf dem Rücken lag. Wenn er wirklich wieder ganz bei Verstand war ... »Sprich weiter! Los, mach schon! Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest.«
    Das Geheul aus der Tiefe gellte in ihren Ohren, hallte von den Felswänden wider, um sie zu quälen. Die Wölfe waren bereits auf halber Höhe ihres Standorts angelangt. Jegliche Hoffnung, und sei sie noch so irrational, ihre Gefährten und sie könnten schneller sein als das sie verfolgende Rudel, war nun dahin. Selbst Staves fast übermenschliche Kraft und Gewandtheit konnte nichts gegen so viele geifernde Raubtiere ausrichten. Liand besaß die kräftigen Muskeln eines Steinhauseners; er würde sich wacker schlagen, ehe er unterging. Auch Somos Hufe konnten ein paar Wölfe erschlagen. Trotzdem würde das Ende rasch kommen und brutal sein. Und das schon bald. Staves Warnung spielte keine Rolle mehr. Konnte Linden keine wilde Magie gegen die Kresch mobilisieren, würde sie nichts und niemandem mehr helfen können – Anele nicht, Jeremiah nicht, dem Land nicht. Trotzdem blieb sie neben dem Alten auf den Knien. Seine Mondsteinaugen starrten sie blicklos an. Er musste reden. Sie wusste keine andere Möglichkeit, die psychische Eiterbeule seines Schmerzes aufzustechen.
    Tränen ließen auf beiden Seiten seines Halses Schmutz in seinen Bart hinunterlaufen. »Es ist mir wie eine kleine Sache vorgekommen«, sagte er stockend. »Eine unwichtige kleine Sache. Trotzdem habe ich damit Schlimmes angerichtet ...«
    »Anele!« Ihr Flüstern glich einem Aufschrei. »Sprich vernünftig! Du bist wieder bei Verstand. Das spüre ich. Erzähl mir um Himmels willen etwas, das ich verstehen kann!«
    Er musste sie gehört haben; seine Aufmerksamkeit wandte sich schlagartig ihr zu. Als

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