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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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könnte er sie sehen, schnappte er überrascht nach Luft. »Dich kenne ich. Du bist Linden Avery die Auserwählte. Das hat der Haruchai gesagt. Du hast meinen Vater Sunder begleitet, als er den Leichnam meiner Mutter Hollian getragen hat – nach Andelain hinein und ins Leben zurück.«
    Linden starrte ihn an, als hätte der Schock ihr alle Luft aus der Lunge gepresst. Anele hätte ebenso gut in einer fremden Sprache reden können: Sie verstand jedes einzelne Wort, aber aneinandergereiht ergaben sie keinen Sinn.
    »Das ist unmöglich!«, widersprach sie.
    Unmöglich!
    Gott im Himmel ...
    Wie viel Zeit war hier im Land verstrichen, seit sie mit Sunder und Covenant nach Andelain gezogen war und Hollians Auferstehung miterlebt hatte? Stave würde es ihr sagen können, wenn sie ihn danach fragte. Sicher Jahrtausende. So äußerte sich Aneles Vernunft?
    Jetzt stand Stave neben ihr. Er blickte wie eine lebende Anschuldigung auf den Alten hinunter. »Das kann nicht sein«, stellte er ausdruckslos fest. »Er bleibt verrückt, auch wenn er vernünftig wirkt. Achte nicht auf ihn.«
    »Was ...?« Sie schoss hoch und baute sich vor dem Haruchai auf. »Soll ich das ignorieren? «
    Stave erwiderte ihren Blick gelassen; er schien kaum zu blinzeln. »Linden Avery, du darfst nicht auf ihn hören. Er ist verrückt. Und die Kresch werden bald über uns herfallen. Du musst fliehen. Tust du es nicht, geht dem Land die Hoffnung des Weißgolds verloren. Der Steinhausener und ich werden versuchen, dir die Flucht zu ermöglichen.«
    Als sie unbeweglich verharrte, wiederholte er barsch: »Du musst jetzt fliehen.«
    Unter dem Zwang seiner Aufforderung drehte sie sich um und blickte über das Geröllfeld hinunter. Als die Kresch heraufbrandeten, gelangten sie aus tiefstem Schatten in den Bereich mit reflektiertem Himmelslicht, sodass Linden sie erstmals deutlich sah, und der Anblick erschreckte sie zutiefst. Sie waren gelb, wie Liand sie beschrieben hatte: gelb wie ein Pesthauch. Und sie waren riesig. Gott, sie waren gigantisch: ihre Schulterhöhe übertraf die eines Ponys; aus ihren glühenden Augen leuchtete rötlich gelbes Feuer, und die aufgerissenen Rachen schienen Säure über die Felsen zu versprühen. Für Lindens Sinne glich die Mordlust der Kresch einem Schrei, der dem Rudel voraus in die Höhe stieg. Diese Wesen entsetzten sie. Lord Foul trieb sie irgendwie an; ihre Wildheit war die fiebrige Gier gepeinigter Kreaturen. Hatten sie erst ihrer Beute das Fleisch von den Knochen gerissen, würden sie vielleicht übereinander herfallen, um die ihnen aufgezwungene Grausamkeit zu befriedigen.
    Doch trotz ihrer Verzweiflung hörte Linden noch immer Aneles Stimme: »Linden Avery die Auserwählte. Allein du ...« Aus seinen blicklosen Augen flossen unaufhörlich Tränen, obwohl er nicht schluchzte. »Du hast jene gekannt, die mir vertraut haben. Du allein kannst ermessen, was ich getan habe.«
    Und indem er das sagte, änderte er alles. Linden schüttelte sofort ihren Schock und ihr Entsetzen ab. Sie war vor allem Ärztin, und Anele hatte zu viel gelitten. Sie durfte ihn jetzt nicht verlassen; dieses Fenster in seine Scham und seinen Schmerz würde sich vielleicht nie wieder öffnen. Sie musste ihm irgendwie helfen, aus dem Käfig herauszukommen, in dem sein Verstand eingesperrt gewesen war. Griffen die Kresch an, würde sie darauf vertrauen müssen, dass es ihr gelang, sie mit weißem Feuer zurückzuschlagen. Vielleicht würden dieselben Instinkte, die beim Einsturz des Kevinsblicks ihre Rettung gewesen waren, sie auch diesmal retten.
    Sie beugte sich rasch über den Alten und half ihm auf die Beine. Dann stellte sie sich so hin, dass sie Anele ins Gesicht sehen und gleichzeitig die über das Geröll heraufbrandende Wolfsflut im Auge behalten konnte.
    »Erzähl es mir«, forderte sie ihn halblaut auf. »Ich höre zu. Ich lasse dich nicht im Stich. Erzähl mir, was passiert ist.«
    Staves finstere Miene ließ die Narbe unter seinem Auge deutlicher hervortreten. Er schien kurz zu überlegen, ob er Linden einfach an sich reißen, mit ihr bergauf weiterrennen und Liand und Anele einem sicheren Tod überantworten sollte. Aber dann zuckte er leicht mit den Schultern. Ohne Hast oder Angst rief er Liand zu sich; bereitete den Steinhausener und Somo darauf vor, um ihr Leben zu kämpfen.
    Liand warf Linden einen Blick voller schlimmer Vorahnungen zu. Aber er ließ kein Zögern erkennen, als er aus einem der Bündel hinter dem Sattel ein Paar Steinmesser

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