Die Runen der Erde - Covenant 07
Reihe«, fügte sie hinzu, bevor Linden antworten konnte. »Dich ›warnen‹? Wieso hätte ich dich vor irgendwas warnen sollen? Was hat er getan?«
Doch Linden widerstrebte es, Rogers Begegnung mit seiner Mutter zu schildern. Sie fürchtete sich davor, ihr Erlebnis in Worte gekleidet zu hören.
»Er war vor einer Stunde hier bei mir«, sagte sie langsam. »Er will, dass ich ihm das Sorgerecht für seine Mutter übertrage.« Worte schienen alles realer zu machen. »Und er ist sehr hartnäckig ...« Lindens Stimme wurde unsicher leiser, verstummte dann ganz.
»Ja?«, drängte ihre Freundin.
»Megan, du wirst denken, ich sei übergeschnappt.« Sie berührte Covenants Ring, damit er ihr Mut gab. »Er hat mich glauben gemacht, dass er Joan entführen wird, wenn ich sie nicht gehen lasse.«
Setzte Lord Foul seine Macht ein, starben Menschen. Die Schönheit der Welt wurde in Stücke gerissen. Er musste hier und jetzt gestoppt werden.
»O Gott!«, ächzte Megan. »Womit glauben gemacht?«
»Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll«, gab Linden zu. Nach all diesen Jahren konnte sie Megan jetzt nicht plötzlich erzählen, was ihr bei Covenants Tod zugestoßen war. Dadurch hätte sie jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt. »Kannst du dir vorstellen, dass er mir einfach ein unheimliches Gefühl vermittelt hat? Ich arbeite nun schon so lange mit geistig gestörten Menschen, dass ich glaube, eine Art Instinkt für Psychosen zu haben. Roger Covenant tickt irgendwie nicht ganz richtig. Und ich weiß hundertprozentig, dass er mir überhaupt nicht zugehört hat. Und er scheint von der Vorstellung besessen zu sein, sich um Joan kümmern zu müssen. Davon kann ihn nichts abbringen. Seiner Überzeugung nach gehört sie ihm. Ende der Durchsage. Ich fürchte, dass es keine gewöhnlichen sozialen oder juristischen oder auch nur praktischen Überlegungen gibt, die ihn bremsen könnten.«
Megan machte eine lange nachdenkliche Pause. In der Stille hörte Linden irgendwo in der Leitung ein tickendes Geräusch, das an einen Pulsschlag erinnerte. Dann verstummte es. Endlich sagte ihre Freundin langsam: »Ja, das glaube ich dir. Ich habe selbst ein schlechtes Gefühl, wenn ich an ihn denke. Und ich kann es auch nicht genau erklären. Weißt du ...?« Sie schwieg erneut, sammelte offenbar ihre Gedanken. »Wir haben vor drei Jahren angefangen, miteinander zu kommunizieren. Er hat mir geschrieben, als er achtzehn geworden war. Damals war er theoretisch noch ein Mündel des Staats – seine Großeltern haben ihn nicht adoptiert –, aber für die Leute vom Jugendamt war es einfacher, ihn seine Angelegenheiten unter Aufsicht selbst regeln zu lassen.
Roger wollte alles über den Nachlass seines Vaters wissen. Wie groß er war, woher das Geld stammte, wie es angelegt war, welche Immobilien zum Vermögen gehörten. Er wollte, dass alle Vorbereitungen getroffen wurden, damit er das Erbe antreten konnte, sobald er einundzwanzig wurde. Zumindest dafür haben seine juristischen Kenntnisse ausgereicht. Und er wollte alles hören, was ich ihm über seinen Vater persönlich mitteilen konnte. Teufel, er hat sich sogar nach dir erkundigt, obwohl du Thomas Covenant doch nur flüchtig gekannt hast.«
Linden unterdrückte den Drang, Megan zu fragen, was sie Roger über sie erzählt hatte. Stattdessen sah sie nochmals aus dem Fenster. Ihr Wagen schien sie zu rufen, schien darauf zu bestehen, dass sie sofort nach Hause raste, weil Jeremiah ihren Schutz brauchte.
»Aber er hat nie ein Wort über seine Mutter verloren«, fügte Megan hinzu. »Sollte ich nach unserer Korrespondenz und unseren Gesprächen urteilen, würde ich denken, dass er nicht einmal weiß, wo sie gegenwärtig ist. Und dass er sich auch nichts aus ihr macht.«
Über Joan hatte er mit Megan nicht gesprochen, damit niemand im Voraus gewarnt war.
Linden wandte sich mit bewusster Anstrengung vom Fenster ab. »Was weißt du also über ihn? Hat er überhaupt von sich selbst erzählt?«
»Freiwillig gibt er nicht viel preis«, erwiderte Megan. »Aber er antwortet auf direkte Fragen. Ich denke, dass ich dir seinen Werdegang in groben Zügen schildern kann.«
Tatsächlich hatte Covenant ihr ein wenig über Joans Vergangenheit erzählt, aber Linden unterbrach Megan nicht, um ihr das mitzuteilen. Nachdem Joan sich von ihm hatte scheiden lassen, war sie wieder in ihre Heimatstadt übersiedelt, um bei ihren Eltern zu wohnen. Einige Jahre lang hatte sie offenbar versucht, sich mit herkömmlichen
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