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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Methoden wie Lebensberatung und Psychotherapie von ihren Schuldgefühlen zu befreien. Aber als diese Mittel nicht gegen ihren Schmerz geholfen hatten, hatte sie sich der Religion zugewandt; Religion in immer extremeren Formen.
    »Seiner Darstellung nach«, begann Megan, »weiß er nicht mehr sehr viel über seine frühe Kindheit. Aber ich habe ihn dazu gebracht, mir etwas über diese Kommune zu erzählen, in die Joan eingetreten ist. Das muss ungefähr ein Jahr vor ihrer Rückkehr hierher gewesen sein. Die Kommune habe sich ›Gemeinde der Vergeltung‹ genannt, sagt Roger. Liest man zwischen den Zeilen, muss sie eine ziemlich unduldsame Gemeinschaft gewesen sein. Sie hat nicht daran geglaubt, dass reuige Sünder durch die Gnade Gottes erlöst werden können. Ihrer Überzeugung nach war die Welt dafür schon zu tief gesunken, zu korrupt ...« Megan murmelte einen halblauten Fluch. »Um Sünde auszurotten, brauchten sie Gewalt, Blutvergießen, Menschenopfer, Ritualmorde. Jedenfalls deute ich, was er mir erzählt hat, auf diese Weise. Seiner Schilderung nach haben diese Leute den größten Teil ihrer Zeit damit verbracht, um Erleuchtung zu beten. Gott sollte ihnen mitteilen, wer geopfert werden müsse. Und auf welche Weise.« Megan schnaubte. »Was treibt solche Leute bloß an, Linden?«
    Linden dachte an Lord Foul. Leise antwortete sie: »Verzweiflung, Megan. Sie zerbrechen an der eigenen Leere. Und irgendwann ist es genug; sie ... sie implodieren sozusagen.«
    Roger und Joan hatten Fanatismus an den gleichen Orten, aus den gleichen Quellen studiert. Aber dies war etwas ganz anderes.
    »Wahrscheinlich hast du recht«, murmelte Megan. »Auch wenn ich es nicht wirklich verstehe. Wie er die Sache schildert«, fuhr sie fort, »hat er sie auch nicht verstanden. Sie hat ihn nicht wirklich berührt. Er war bloß ein Mitläufer. Wie alt war er damals? Scheiße, neun Jahre alt?«
    Sie fluchte erneut halblaut vor sich hin.
    »Und dann ...?«, fragte Linden.
    Megans Stimme klang düster. »Nachdem Joan fast ein Jahr lang beobachtet hatte, wie Hysteriker sich in Wahnvorstellungen hineinsteigerten, hat sie Roger zu ihren Eltern zurückgebracht und bei ihnen gelassen. Ich nehme an, dass sie ihre Erleuchtung gefunden hatte. Er hat sie nie wiedergesehen. Und ich habe den Eindruck, dass seine Großeltern nie von ihr gesprochen haben. Er wusste, dass sie noch lebte, aber das war alles.
    Ich habe ihn gefragt, ob es ihm schwergefallen sei, sich danach an ein normales Leben zu gewöhnen. Du weißt schon – Highschool, gewöhnliche Lehrer und Mitschüler, Klamotten, Hausaufgaben, Mädchen. Verdammt, er hatte gerade ein Jahr damit zugebracht, der ›Gemeinde der Vergeltung‹ zu helfen, ihre Opfer auszuwählen. Aber er hat gesagt, das sei kein Problem gewesen.« Megan knurrte leise. »Er hat gesagt – ich zitiere: ›Ich habe mir nur die Zeit vertrieben.‹«
    »Worauf hat er gewartet?«, fragte Linden.
    »Genau das wollte ich auch wissen. Nimmt man ihm ab, was er über sich selbst sagt, hat er, seit er von Joan verlassen wurde, eigentlich nur auf seinen einundzwanzigsten Geburtstag gewartet. Damit er das Erbe seines Vaters antreten konnte. Das war's schon. Keine Ahnung, warum ihm das so wichtig war, oder was er damit anfangen will. Dazu hat er sich nie geäußert. Selbst die Frage danach scheint er gar nicht zu verstehen.«
    Linden berührte ihre wunde Lippe mit einer Fingerspitze. Es war kein Zufall, dass sie Joans Betreuerin und Bewacherin geworden war. Sie wusste mit allen Nerven ihres Körpers und jedem Pulsschlag, was Joan empfand. Auch sie war von Bösem gelähmt worden, war durch das Wissen um ihre Schwäche praktisch in ein Koma verfallen. Wie Joan wusste auch Linden, was es bedeutete, wenn die eigenen Erinnerungen ausgelöscht wurden. Und doch hatte Roger es irgendwie geschafft, dass seine Mutter ihn ansah. Laut sagte Linden: »Ich vermute, dass Roger die Highschool absolviert hat. Was hat er seither getan?«
    »Verdammt, Linden«, sagte Megan gereizt. »Es ist leichter, ihn dazu zu bringen, über die Kommune zu reden. Aber ich habe nicht lockergelassen. Er sagt, er habe an einem städtischen College einige Fächer belegt. Anscheinend zur Vorbereitung auf ein Medizinstudium. Biologie, Anatomie, Chemie, solches Zeug. Und«, fügte sie angewidert hinzu, »er hat in einem Fleischerladen gearbeitet. Thomas Covenant war einer der bemerkenswertesten Männer, die ich je gekannt habe, und außerdem ein verdammt guter Schriftsteller, und

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