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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Lichtschein; sie hätte ihn für Stein gehalten, hätte Stave nicht von einem ›Bergsee‹ gesprochen – und seine unheimlichen Wasser nicht an ihre Sinne appelliert, sie vor Kräften gewarnt, die aus den Tiefen der Erde heraufgequollen waren.
    Hyn und Hynyn hatten ihr geheimes Ziel erreicht.
    Die beiden trabten mit nach vorn gestellten Ohren und in den Nüstern schnaubendem Atem begierig auf den Bergsee zu. Linden erwartete, dass sie sofort ans Wasser gehen und trinken würden; aber nach einigen Schritten schüttelte Hyn sie plötzlich ab. Da sie nicht darauf vorbereitet war, kam sie unbeholfen auf und wäre fast gestürzt.
    Einen Herzschlag später gesellte Stave, der darauf achtete, nur mit einem Bein aufzukommen, um seine verletzte Hüfte zu schonen, sich zu ihr.
    Linden, die weiche Knie hatte, beobachtete, wie die Stute und der Hengst gemeinsam an den See hasteten und ihre Mäuler in das pechschwarze Nass tauchten.
    Hunderte von Ranyhyn? Wo waren die anderen? Elena war noch ein Kind, war vermutlich von ihren Eindrücken überwältigt gewesen; aber sie konnte ihr eigenes Erlebnis nicht so dramatisch falsch geschildert haben. Lediglich zwei Ranyhyn waren sicherlich nicht genug für ein Rösserritual.
    Doch dann stoben Hyn und Hynyn plötzlich vom Wasser weg und begannen durchs Tal zu donnern, als seien sie von einer unerklärlichen Besessenheit erfasst.
    Solch wildes Galoppieren hatte Linden noch nie gesehen. In der nachtdunklen Luft konnte sie kaum mehr als vage Gestalten ausmachen; die Ranyhyn erschienen ihr nur als Schemen vor den noch schwärzeren Felswänden. Trotzdem waren sie für ihre erweiterten Sinne lärmend und lebhaft: von Erdkraft beseelt und hell wie Feuerwerk. Dass sie aus dem Bergsee getrunken hatten, schien ihre angeborene Vitalität entzündet zu haben; sie strahlten intensive Hitze ab. Linden fühlte ihren Schweiß wie von Hysterie zeugenden Gischt. Hätte Stave nicht Elenas Besuch in diesem Tal geschildert, hätte Linden vermutet, Hyn und Hynyn seien übergeschnappt. Aber sie waren nur zu zweit. Weshalb waren sie allein? Wo waren die übrigen Ranyhyn?
    Noch immer vor Kälte zitternd flüsterte sie: »Stave.« Sie brauchte irgendeine Erklärung von ihm. Aber sie konnte keine Worte für ihr Bedürfnis finden, konnte nur seinen Namen aussprechen. Das wilde Umhertoben der Ranyhyn zerrte an ihrem Bewusstsein, beeinträchtigte ihr Denkvermögen.
    Wie als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage kehrte der Meister dem Bergsee den Rücken zu und begann zur nächsten Felswand zu hinken.
    »Warte«, keuchte Linden. Sie hatte zu lange auf dem Pferderücken gesessen, war zu weit von jeder ihr verständlichen Realität entfernt; sie hatte vergessen, was sie tun musste, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Trotzdem sehnte sie sich nach seiner Gesellschaft. Sie wusste nicht, wie sie selbst dieses kleine Fragment eines Rösserrituals allein ertragen sollte.
    »Bitte, Stave!«, rief sie, weil er nicht stehen geblieben war, als hätte er ihre Stimme im Donnern der Hufe der Ranyhyn gar nicht gehört. »Ich muss verstehen, was hier vorgeht.«
    Er blieb stehen, balancierte dabei auf einem Fuß. »Dann trink aus dem See.« Aus seinem Tonfall sprach absolute Gewissheit. »Dadurch begreifst du, was die Ranyhyn dir zu verstehen geben wollen.«
    Dann hinkte er weiter.
    »Warte!«, rief sie erneut und hastete hinter ihm her. »Wie meinst du das? Was geht hier vor?« Seine abweisende Art ängstigte sie, und ihre Angst nagelte sie inmitten der umhertobenden Ranyhyn fest. »Wir sind beide hier. Sollst du denn nicht auch aus dem See trinken?«
    Er wäre vielleicht nicht stehen geblieben, aber Hyn und Hynyn preschten so dicht vor ihm vorbei, dass er haltmachen musste, um nicht gerammt zu werden. Dann verschwammen sie wieder, undeutlich wie Halluzinationen, schienen in der sich noch verstärkenden Dunkelheit unterzutauchen, bis sie aus keiner Perspektive mehr deutlich zu erkennen waren.
    Stave wartete, bis Linden heran war. Im Dunkeln glichen seine vagen Umrisse einem verkörperten Seufzer. Als Linden ihn erreichte, verkündete er: »Dieses Rösserritual ist nicht für mich bestimmt. Ich bin nur zu deiner Begleitung abgeordnet worden, um dich notfalls beschützen zu können.«
    Das Galoppieren der Pferde zerrte jetzt nicht mehr an ihren Nerven. Stattdessen schien es ihre ganze Aufmerksamkeit einzufordern: eine Form des Bittens, die zu stolz war, um als Flehen bezeichnet werden zu können.
    »Woher weißt du das?«,

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