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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Sie konnte nicht beurteilen, ob der Alte erkannte, was er sah. Auch die großen Pferde ließen sich nicht anmerken, dass sie soeben außergewöhnliche Qualen durchlitten hatten. Hrama schien damit zufrieden zu sein, stillzustehen und Anele einen stabilen Sitz zu bieten. Die übrigen Ranyhyn hatten sich etwas verteilt, damit jedes von ihnen genügend Platz hatte, um in dem trockenen Gras zu weiden. Zwischendurch hob immer wieder eines der Tiere den Kopf, als versuche es, den Geruch von Wasser zu wittern.
    Im Hintergrund von Lindens Bewusstsein bellten die Urbösen leise untereinander. Vielleicht besprachen sie die Lage oder diskutierten darüber, was als Nächstes getan werden musste. Wie Stave schienen sie in der Zäsur nicht gelitten zu haben; ihre Erschöpfung war jedoch offensichtlich.
    Aber die Zäsur war verschwunden, hatte keine Spur ihres Vorbeizugs hinterlassen.
    Wir sind gestrandet.
    »Auserwählte?«, fragte Stave drängender. »Es ist nicht ratsam, hier zu verweilen. Sind wir tatsächlich in die Vergangenheit des Landes eingetreten, müssen wir darauf achten, sie nicht irgendwie zu verändern, um den Bogen der Zeit nicht zu gefährden. Wir sind weder Seher noch Orakel. Unser Tun kann Folgen haben, die wir nicht voraussehen können.«
    Trotzdem erhob Linden sich nicht, um ihm zu antworten. Als sie die Umstände prüfte, in denen sie sich befand, entdeckte sie eine Spur – nur einen Hauch – von Unrechtem. Es lag nicht in der Luft, die nur die zunehmende Wärme eines Sommermorgens enthielt. Die Ranyhyn hatten bestimmt nichts Unrechtes an sich. Das galt trotz ihrer erst allmählich abklingenden Schmerzen auch für ihre Gefährten. Und die Urbösen waren wie Stave ihrer Beurteilung entzogen.
    Die Andeutung von Unrechtem, von auferlegtem und unnatürlichem Übel, schien aus der Erde unter ihr zu kommen.
    Und es war vertraut ...
    Linden richtete sich plötzlich auf Händen und Knien auf und grub ihre Finger ins Gras, um den Erdboden zu berühren. »Hier«, forderte sie Stave leise, fast flüsternd auf. »Leg deine Hände hierher. Sag mir, was du spürst.«
    Der Meister runzelte leicht die Stirn, als er jetzt vor ihr niederkniete und die Finger ins Gras steckte.
    »Linden?«, krächzte Liand. Er kam herübergekrochen, wobei er seinen Bauch schonte, als stecke er voller Glassplitter. »Stimmt was nicht?«
    Aber sie konzentrierte sich zu angestrengt, um zu sprechen, und Stave gab keine Antwort. Liand grub seine Finger ebenfalls unsicher ins Gras, um vielleicht auch zu fühlen, was die beiden anderen spürten.
    Ja, dachte Linden, während sie den Boden sondierte. Vertraut. Und unrecht. Der Kontakt damit rief eine Art unterschwelliger Erinnerung hervor: zu tief vergraben, um ins Bewusstsein zu dringen, und zu beunruhigend, um jemals vergessen zu werden.
    Die Erinnerung tastete sich ihre Nervenbahnen entlang vor und weckte Echos von Regen und Pestilenz, von lebensfeindlichen Wüsten und erschreckender Fruchtbarkeit.
    Dann holte Liand erschrocken tief Luft und riss die Hände wieder an sich. »Himmel und Erde!«, keuchte er. »Das ist böse. Hier ist großes Unrecht geschehen.« Er schlang die Arme um seinen Oberkörper und kämpfte sichtbar gegen aufkommende Übelkeit an.
    Stave erwiderte Lindens Blick und nickte zustimmend.
    Endlich nahm sie die Hände wieder aus dem Gras. »Nicht nur hier«, sagte sie schroff. »Überall im Land.« Überall westlich des Landbruchs und des Donnerbergs. »Das ist das Sonnenübel.«
    Ihre Sinne hatten Spuren von Lord Fouls Angriff auf das Gesetz entdeckt, anhaltend und scheußlich.
    »In der Tat«, bestätigte Stave ausdruckslos. »Die Haruchai haben es nicht vergessen. Aber in dieser Zeit ist es längst vorüber.«
    Sie wusste, dass er recht hatte; bis vor kurzem andauernde Gräuel hätten ihre Spuren auf der Erdoberfläche hinterlassen. Trotzdem setzten ihre schlimmen Erinnerungen an das Sonnenübel Linden schwer zu. Auf seinem Höhepunkt hatte es jeden lebenden und lieblichen Aspekt des Landes in ein Folteropfer verwandelt; in ein Fallbeispiel für eine unverzeihliche Verletzung.
    »Aber es ist noch frisch genug, um wahrgenommen zu werden«, murmelte sie. Dann schluckte sie ihre Vergangenheit hinunter. Ruhiger fragte sie: »Wie lange ist es deiner Meinung nach her?«
    Davon hing alles ab. Falls die Urbösen Aneles Erinnerungen falsch gedeutet hatten ... oder falls die Ranyhyn sich geirrt hatten ...
    Stave dachte über ihre Frage nach. »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.

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