Die Runen der Erde - Covenant 07
sich zurück, und Clyme trat vor, um seinen Platz einzunehmen.
Wieder standen die beiden Meister sich statuenhaft still gegenüber. Vielleicht tasteten sie einander mental ab, sondierten Lücken oder Schwachstellen im Verstand des Gegners. Als Clyme dann in Bewegung explodierte, trat oder boxte er nicht. Stattdessen sprang er hoch in die Luft, um einen Ellbogen mit seinem ganzen Gewicht von oben in Staves Schulter zu rammen.
O Gott; der Meister versucht, Stave zum Krüppel zu machen ...
Wieder tat Stave nichts, um sich zu verteidigen. Diesmal veränderte er jedoch im letzten Augenblick leicht seine Haltung, sodass Clymes Ellbogen nicht den Knochen, sondern auf Muskeln traf. Der Schlag zwang ihn fast in die Knie; aber keiner seiner Knochen brach.
Wie schon Galt zog Clyme sich zurück, und der letzte der Gedemütigten trat vor, um Stave herauszufordern.
Branl hatte sich anscheinend entschlossen, einen Überraschungserfolg zu suchen, indem er sofort angriff. Bevor Stave die Schulterschmerzen wegstecken konnte, traf Branl seine linke Gesichtshälfte – die blinde Seite – mit einem brutalen rechten Haken. Branls Fingerknöchel gruben sich tief in das noch geschwollene Narbengeflecht, zerrissen kaum verheiltes Gewebe und krachten auf den Knochen darunter.
Staves Kopf flog zur Seite wie von einem Keulenhieb getroffen; er konnte kaum das Gleichgewicht halten. Aber er revanchierte sich nicht für diesen Schlag. Das ausdruckslose Starren seines rechten Auges ließ auf eine Hinnahme schließen, die tiefer ging als Resignation.
Branl mochte zufrieden sein oder auch nicht; das konnte Linden nicht beurteilen. Sie spürte sympathetische Schmerzen in der Brust, an der Schulter, im Gesicht. Aber der Gedemütigte räumte ohne Zögern seinen Platz.
Langsam trat die Stimme der Meister vor Stave hin.
Linden konnte sich nicht länger beherrschen. »Verdammt!«, fauchte sie, obwohl sie wusste, dass Stave keine Einmischung wünschte und sie nicht billigen würde. »Wie lange soll das weitergehen? Um Himmels willen, er ist doch allein! Wie viel von eurer Selbstgerechtigkeit kann er eurer Meinung nach aushalten?«
Weder Handir noch Stave antwortete ihr, aber die Stimme der Meister schien ihre Einwände satt zu haben. Statt weiter nur geistig zu sondieren, sprach der ältere Haruchai Stave laut an.
»Du hast dich gegen den Willen der Meister gestellt, als dieser Wille noch nicht erklärt war. Du hast sogar versucht, uns deinen Willen aufzuzwingen, uns durch Wort und Beispiel zu beschämen. Aber die Meister sind nicht beschämt. Wir lassen uns nicht beschämen.
Wir werden deine Worte und dein Beispiel in Betracht ziehen, wenn es Zeit wird, unseren weiteren Kurs zu bestimmen. Aber wir werden nicht mehr auf dich hören. Zukünftig bist du aus den Reihen der Meister ebenso ausgestoßen wie aus denen der Haruchai. Ist das Ritual unserer Missbilligung erst abgeschlossen, wird sich keine Hand mehr gegen dich erheben. Sprichst du, wie ich jetzt spreche, wird dir geantwortet. Aber du bleibst von der wahren Sprache der Haruchai ausgeschlossen, und wenn du uns zu erreichen suchst, antwortet dir niemand. Ebenso darfst du nicht in deine Heimat in den Bergen zurückkehren. Unter uns ist kein Platz mehr für dich. Du hast erklärt, wem du Treue halten willst. Jetzt musst du die Konsequenzen tragen.
Dies ist mein Wort. Davon gehe ich nicht ab.«
So plötzlich, dass Linden kaum eine Bewegung sah, griff Handir an.
Wie die Gedemütigten schlug er nur einmal zu. Im Gegensatz zu ihnen gebrauchte er nur eine Handfläche. Und sein Schlag wirkte leicht und flüssig, kaum mehr als ein leichter Schubs. Trotzdem wurde Stave zurückgeschleudert, als sei er von einem auskeilenden Ranyhyn getroffen worden. Er wirbelte durch die Luft; krachte hilflos auf den rauen Stein. Einige Herzschläge lang blieb er bewegungslos liegen. Bevor Linden an seine Seite eilen konnte, hob er jedoch den Kopf. Nachdem er beide Hände aufgestützt hatte, rappelte er sich langsam auf. Hellrot pulsierendes Blut lief ihm aus einem Mundwinkel, als er seine bisherige Haltung wieder einnahm. Sie konnte sich nicht vorstellen, woher er die Kraft nahm, überhaupt auf den Beinen zu bleiben.
Die Stimme der Meister fixierte Stave noch einige lange Augenblicke. Dann wandte Handir sich an Linden. »Sei beruhigt«, forderte er sie gleichmütig auf. »Das Ritual ist abgeschlossen.«
Blut tropfte auf Staves Gewand, färbte das ockergelbe Gewebe dunkel. Er machte sich nicht die Mühe, es
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