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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Anele abrupt von der Mauer weg. Seine Arme zitterten, als er sich in sitzende Haltung hochstemmte. Tränen glitzerten im Schmutz auf seinen Wangen, bildeten im Lampenlicht Perlen, die in seinem zerzausten Bart glänzten. Seine Unterlippe bebte.
    Jammernd flüsterte er: »Anele ist verloren.«
    Linden konnte ihm nicht widersprechen. Sie wusste nicht, wie.

5

Ablenkung
     
     
    Nach einiger Zeit war Aneles anfänglicher Kummer erschöpft, und er hörte zu weinen auf.
    Eine leichte Brise schien durch Linden zu wehen und die Asche in ihrem Herzen mit sich fortzutragen, bis nichts mehr zurückblieb, das darauf hingewiesen hätte, dass sie jemals Feuer gekannt hatte. Aber sie konnte nicht bleiben, wo sie war. Der Stein des Bodens und der Wände bot ihr keinen Ruheplatz; stattdessen drückten die harten Flächen schmerzhaft auf ihre Prellungen, als litte sie nicht schon ohnehin genug Schmerzen.
    Schließlich stand sie auf, nahm die Öllampe mit und humpelte durch den Raum, um die übrigen Räumlichkeiten ihres Gefängnisses zu begutachten.
    Hinter dem mit einem Vorhang verschlossenen Durchgang in Aneles Nähe entdeckte sie eine Toilette nach Steinhausener Art. Auf einem niedrigen Holztisch standen eine steinerne Waschschüssel und ein randvoller großer Wasserkrug. Daneben sah sie einen Steintopf mit feinem Sand, der offenbar als Scheuersand dienen sollte. Ein schräg in den Boden eingelassenes Tonrohr diente anderen Bedürfnissen.
    Sie hatte das Bedürfnis, sich zu waschen. Selbst lebenslängliche Waschungen würden vielleicht nicht genügen, damit sie sich wieder sauber fühlte. Aber ihre schweren Prellungen waren zu empfindlich, um mit Sand abgescheuert werden zu dürfen. Und sie war praktisch stehend k.o., konnte kaum noch den Kopf hochhalten.
    Mit unsicherem Schritt verließ sie die Toilette.
    Im nächsten Raum fand Linden, was sie suchte: zwei Betten, die an den Seitenwänden standen. Sie hatten Holzgestelle, die gut mit Gras und Farnkraut ausgepolstert und mit grob gewebten rauen Wolldecken bedeckt waren. In die Rückwand des Schlafraums war knapp über Augenhöhe eine Fensteröffnung eingelassen, die ebenfalls mit fest verkeilten Felsbrocken ausgefüllt war.
    Über eine Schulter hinweg teilte sie Anele mit matter Stimme mit: »Zwei Betten.« Als er nicht reagierte, fügte sie hinzu: »Du hast vermutlich seit Jahren in keinem Bett mehr geschlafen.«
    Er ließ noch immer keine Reaktion erkennen. Sein Körper war so zusammengesunken, als versuche er, mit dem Mauerwerk zu verschmelzen.
    Mit einem Seufzer betrat sie den Schlafraum und ließ den Vorhang hinter sich herabfallen.
    Ohne bestimmten Grund entschied sie sich für das linke Bett. Sie stolperte darauf zu, sank auf die Bettkante, löste die Schnürsenkel und zog Stiefel und Socken aus. Dann kroch sie zwischen zwei Wolldecken und schlief augenblicklich ein.
     
    *
     
    Schmerzen ließen sie unruhig schlafen, aber sie wachte nie ganz auf; ihre Erschöpfung war stärker. Jeremiah erschien ihr in Intervallen, die steilen EKG-Spitzen während einer Koronarkrise glichen. Sie sah das stumme Flehen in seinem trüben Blick. Sein durch Vernachlässigung und grobe Behandlung zerzaustes Haar hing in trübseligen Strähnen herab. Auf dem blauen Flanell seines Schlafanzugs bäumten sich unbeachtet Pferde auf.
    Sie weinte um ihn, ohne aufzuwachen.
    Covenant sprach aus der Ferne zu ihr, aber er war zu weit entfernt, um verständlich zu sein. Blankehans schrie laut, während er Samadhi Sheol umklammert hielt, damit die Sandgorgone Nom den Diener Lord Fouls in Stücke reißen konnte. Covenant sprach eindringlich, aber sein Wunsch, sie zu trösten oder anzuleiten, konnte die Barrieren zwischen ihnen nicht überwinden. Verkrümmte Urböse fielen in Klumpen niedergemetzelt, wurden durch die unerwartete Gewalt von Hohls nachtschwarzen Händen zerquetscht.
    Im wirklichen Leben hatte Covenant sie ans Licht gezogen, wenn die Finsternis sie zu überwältigen gedroht hatte. Das hatte er mehrmals getan. Er hatte sie gelehrt, dass erst ihre Ängste und ihr Versagen und ihre Unzulänglichkeiten sie menschlich und kostbar, wahrhaft liebenswert machten. Aber jetzt konnte er sie nicht erreichen.
    Weil die Urbösen sich gegen den Verächter gestellt hatten, hatte er sie ausgerottet.
    Um Covenant von der schrecklichen Starre zu befreien, in die ihn die Elohim versetzt hatten, hatte Linden ihm ihren Sinn für das Gesunde eingegeben. Damals hatte sie sich auf einer Blumenwiese unter einer heilenden

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