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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Haut wirkte straffer und besser durchblutet; sein Gesicht war nicht mehr ganz so verwüstet wie gestern. Er stand nicht auf, um sie zu begrüßen, aber die kleinen Bewegungen, mit denen er den Kopf drehte und seine Schulterhaltung veränderte, wirkten jetzt elastischer, weniger fragil.
    »Anele«, fragte sie ruhig, »wie geht es dir? Warum hast du dich nicht ins Bett gelegt? Dann hättest du besser geschlafen.«
    Er ließ sein Kinn auf die Brust sinken, wich ihrem Blick aus. Seine Fingerspitzen glitten ziellos über den Steinboden rechts und links neben ihm. »Anele schläft nicht in Betten. Träume sind ausgelegte Schlingen. Darin würde er sich verfangen. Hier können sie nicht an ihn heran.«
    Ohne ihren Sinn für das Gesunde fühlte Linden sich nahezu verkrüppelt. Dennoch musste sie versuchen, Anele zu verstehen. Sie fragte so ruhig wie möglich weiter. »Hier?«, erkundigte sie sich mit sanfter Stimme. »Auf dem Steinboden?«
    »Auf Stein«, bestätigte er. »Du beschützt Anele nicht. Sein einziger Freund ist der Stein.«
    In einer anderen Phase seiner Verrücktheit hatte er behauptet, die Steine um ihn herum würden sprechen.
    »Anele ...« Linden musste ein Ächzen unterdrücken, als sie mit schmerzenden Muskeln neben ihm in die Hocke ging. »Ich habe gesagt, dass ich dich beschützen werde. Das ist mein Ernst. Ich weiß nur noch nicht, wie ich es anfangen soll.« Sie berührte seine Schulter absichtlich mit ihrer, um ihn so vielleicht etwas zu beruhigen. »Was tut Stein für dich? Wozu brauchst du ihn?« Wie konnten Wände und Fußböden ihn daran hindern, Träume zu haben?
    Der Alte bemühte sich, ihr zu antworten. »Anele versucht es ... er strebt ... mit aller Kraft. Das tut weh. Dennoch versucht er es immer wieder.«
    Sie wartete.
    Nach langer Pause schloss er: »Immer. Gefangen und verloren. Anele lässt nicht locker. Er muss sich erinnern.«
    Woran erinnern?, hätte sie am liebsten gefragt. Welche Art Wissen hielt sein geschädigter Verstand vor ihm verborgen? Warum hatte er den Wahnsinn gewählt? Hätte er diese Frage beantworten können, hätte er sich nicht in dieser Notlage befunden. Auf der Suche nach einem Weg, der um seine Barrikaden herumführte, fragte sie stattdessen: »Erinnerst du dich an mich?«
    Er bedachte sie mit einem flüchtigen blinden Blick, dann wandte er sich ab. »Anele hat dich gefunden. Hoch oben. Auf dem Kevinsblick. Es hat ihn verfolgt. Er ist geflüchtet. Du warst dort.«
    So viel wusste er also noch, wenn nicht noch mehr.
    »Erinnerst du dich, was uns zugestoßen ist?« Linden achtete darauf, dass ihre Stimme ruhig, fast desinteressiert klang. Der Alte sollte zu der Überzeugung gelangen, in ihrer Gegenwart sicher zu sein. »Erinnerst du dich, was mit dem Kevinsblick geschehen ist?«
    Aber trotz aller Behutsamkeit reagierte er verstört. Er schien in sich selbst zusammenzuschrumpfen. » Es ist gekommen. Anele ist gefallen. Feuer und Dunkelheit. Weiß. Schauerlich.«
    Vielleicht hatte sie ihre Frage nicht einfach genug formuliert. Sanft und behutsam versuchte sie es erneut. »Anele, lebst du noch?«
    Hätte er die Mauer dazu veranlassen können, ihn zu verschlingen, hätte er es getan. » Es ist gekommen«, wiederholte er. » Sie sind gekommen. Schlimmer als der Tod.«
    Linden seufzte unhörbar leise. Ihre kurze Wahrnehmung auf dem Kevinsblick hatte ihr den Eindruck vermittelt, er sei im Prinzip für seinen Zustand selbst verantwortlich. Er hatte den Wahnsinn als eine Form der Selbstverteidigung gewählt. Nachdem er sich einmal dafür entschieden hatte, konnte er ihn nicht einfach wieder aufgeben. Was auch geschehen mochte, er würde sich selbst darin zurechtfinden müssen. Dieselbe Notwendigkeit beherrschte sie, wie sie auch Jeremiah beherrschte. Um ihn damit vielleicht zu trösten, legte sie dem Alten eine Hand auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen.« Das hatte Covenant auch zu ihr gesagt. »Man erinnert sich leichter, wenn man es nicht allzu krampfhaft versucht. Sobald ich weiß, was ich zu tun habe, gehen wir gemeinsam von hier fort. Bis dahin bringen die Meister uns sicher regelmäßig Essen und Wasser. Und ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann ...« Mitten im Satz kam ihr ein neuer Gedanke. »... am liebsten wäre mir jemand, der keiner von ihnen ist.«
    Sie wollte mit einem Steinhausener sprechen. Wenn die Haruchai ihr das gestatteten. Linden richtete sich bedächtig auf. Sie humpelte zur äußeren Tür, zog den Ledervorhang beiseite und streckte ihren

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