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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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Gottlosen Weg führt ins Verderben«, murmelte er.
    Der Ire kam die Treppe herunter.
    »Es ist Zeit«, sagte er nur. Gundeline nickte. Er nahm seine Fackel wieder auf und ging vor. Dann kamen die Kinder, die Herrin Gundeline, Maria und zum Schluß die Alten.
    Pater Clemens blieb. Die Soldaten brauchten seelischen und Gottes Beistand. Er sah sie in dem Stollen verschwinden. »Herr, wie zahlreich sind meine Bedränger …«, betete er leise, und dann stand er auf. In dem Stollen war niemand mehr zu sehen. Und oben hörte er wieder das Krachen des Rammbocks gegen das Tor. Aber dieses Mal war es nicht das Tor der Ringmauer, sondern das Tor zum Palas. Wenn es nicht standhielt, waren sie verloren. Pater Clemens zitterte am ganzen Körper. Die Soldaten brauchten ihn nicht. Aber Gott brauchte ihn.
    Sein Blick fiel auf einen abgetragenen Soldatenmantel, der an einem Haken an der Wand hing. Er schnappte danach und zerrte sich das Habit vom Leib. Dann schob er sich langsam in den Gang. Duster war es, aber von ferne sah er Licht und hörte jetzt auch die hallenden Schritte der anderen, die schon weit vor ihm waren. Er brauchte ihnen nur zu folgen, um sein armseliges Leben zu retten. Während er weiterlief, betete er alle Psalmen herunter, die er auswendig kannte. »Wenn ich rufe, erhöre mich, o Gott …«
    Es war so wenig Luft zum Atmen da. »Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn …«
    Gott würde es nicht gefallen, daß er einfach weglief und die anderen dem Tod überließ. Aber die Welt war schlecht und, wenn er ehrlich war, durch die Ankunft Gottes nicht besser geworden. »Sei mir gnädig, o Herr, denn ich bin schwach, heile mich, Herr, denn meine Glieder sind erschüttert.«
    Seine Zähne klapperten vor Kälte und vor Furcht. Vorne hatte das Hallen der Schritte aufgehört. Auch das Hämmern des Bockes war verstummt. Er tastete sich vorwärts und hörte plötzlich Schritte. Sie kamen zurück! Als erstes sah er den Iren mit der Fackel.
    »Zurück«, herrschte er den Priester an. »Der ganze Wald ist voller Sachsen.«
    Pater Clemens wandte sich wieder um und hastete zurück. Wieder im Keller angekommen, merkte er, daß sich noch jemand zu ihnen gesellt hatte: die Hexe mit den roten Haaren. Wo kam die so plötzlich her?
    »Sie hat uns gewarnt«, erklärte ihm der Ire ungeduldig auf seine Frage, »soll sie im Wald bleiben und auf die Sachsen warten?«
    Pater Clemens sagte nichts mehr. Er sah, wie der Ire eine Armbrust, die an einer Wand lehnte, in die Hand nahm und zu Rosalie herübertrug.
    »Du bist die einzige von den Frauen, die damit umgehen kann«, sagte er, und Rosalie nickte. Sie kauerten sich auf den Boden und warteten. Von oben kam wieder das Dröhnen des Bockes gegen die Tür des Palas. Pater Clemens sah auf. Die Herrin Maria und die Hexe mit den roten Haaren saßen einander gegenüber und starrten sich an.
    »Kommt mit«, sagte der Ire, und Pater Clemens schreckte hoch. »Die Sterbenden werden Euch brauchen.«
    Der Priester fügte sich. Tränen liefen ihm stumm über die Wangen, als er die Treppe hinaufstieg.
    Die Sachsen hatten jetzt mit Beilen und Äxten ein Loch in das Holz des Tores gehackt. Das Holz splitterte, während die Franken von innen Schränke und Tische vor das Tor schoben. Doch das Loch wurde immer größer, bis bald das Tageslicht hereinschien. Raupach stand in der Halle und stierte wie in Trance auf die Holzsplitter, die zu Boden fielen. Die Zeit lief ihnen davon – der Junge würde gerade erst in Lüneburg angekommen sein. Und dann sah er, wie das Loch in der Tür immer größer wurde. Er sah die Umrisse der Sachsen mit ihren langen blonden Haaren. Und ihre Waffen, auf denen die Sonne glänzte.
    Der erste Sachse trat mit seinen Stiefeln das Holz ein und schob sich durch das Loch in die Halle. Als er sich aufrichtete, traf ihn das Schwert des Iren in den Leib, und er brach röchelnd zusammen. Doch die anderen stiegen einfach über ihn hinweg, und dann war nur noch das Gebrüll der Sachsen zu hören, die, ihre Schwerter und Beile schwingend, das Tor aus den Angeln brachen.
    »Hört ihr?« Gundeline drehte sich um. »Sie sind da.«
    Die Kinder spielten unschuldig mit einem Holzschwert in einer dunklen Ecke. Die Alten hatten die Hände gefaltet und beteten stumm. Nur Maria und Rosalie saßen noch immer da und starrten sich an. Endlich wandte Maria den Blick ab.
    »Warum hat er mich nicht im Kloster gelassen?« murmelte sie bleich. »Er hat mich zurückgeholt, damit ich hier sterben soll.«
    »Nein«,

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