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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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hielt die Hände über die Kohlenpfanne. Ihn fröstelte, aber diesmal war es nicht das Fieber. »Ich weiß es nicht, Maria. Wir waren zusammen im Krieg. Ich der hohe Offizier, der sich die Hände nicht schmutzig machen mußte, er der Soldat, der tötete. Das ist seine Art, sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Sein Vater war ein Ritter, irgendwo in Connacht, der hatte fünf Söhne. Cai war der letzte, er hatte nichts zu erben. Er ließ sich als Soldat ausbilden und kämpfte lange Zeit in England. Er ist absolut loyal, aber er kann skrupellos sein. Das ist das Gesetz des Krieges. Du oder der andere, etwas anderes gibt es nicht.«
    »Und wenn der Junge unschuldig ist?« fragte Maria.
    Berthold lächelte müde. »Ja, Maria, daran denke ich auch die ganze Zeit. Bei einem ordentlichen Prozeß würde alles zur Sprache kommen, alle würden befragt werden, aber so? Custodis’ Willkür widert mich an, aber wir sind ihm ausgeliefert. Und der Ire weiß das.«
    Von draußen hörten sie Stimmen auf dem Gang. Berthold sprang auf und riß die Tür auf. Van Neil stand auf dem Flur.
    »Was gibt’s?«
    Der Offizier grinste schief. »Er hat gestanden. In zwei Tagen wird er gehängt.«
    Auf dem Flur erschienen immer mehr Menschen, Gesinde, Soldaten. Liefen durch die Korridore und redeten durcheinander.
    »Gestanden …«, raunte es durch die Kammern, und Maria klang das Wort tausendmal in den Ohren wider.
    »Wie geht es ihm?« hörte sie Berthold fragen.
    Van Neil zuckte mit den Schultern. »Wie soll es ihm gehen? Der Ire hat ganze Arbeit geleistet, der Junge ist halbtot.«
    Ein merkwürdiges Geräusch ließ Berthold herumfahren. Maria war in Ohnmacht gefallen und auf die Binsen gesunken.
    Mit einem Herzen so schwer wie ein Bleiklotz stieg Berthold die Stufen zum Gewölbe herunter. Fäulnisgestank schlug ihm entgegen und der Geruch frischen Blutes. Die dämmrigen Gänge waren eng, die Decke niedrig. Hinten, am Ende des Ganges, flackerte eine Fackel.
    Berthold blieb stehen. Er holte tief Luft, konzentrierte sich auf seinen Herzschlag. Nicht nachdenken, ging es ihm durch den Kopf. Nur nicht nachdenken, das ist die einzige Rettung. Alle Dinge erledigen sich von selbst. Selbst hier in diesem stinkenden Rattenloch. Hier ganz besonders.
    Er ging weiter. Zuerst sah er Cai Tuam. Er stand gegen einen Pfeiler gelehnt. Sein Gesicht war im Dämmerlicht nicht zu erkennen, und er schien Berthold auch nicht wahrzunehmen. Dann fiel Bertholds Blick auf den Jungen. Seine Ketten lagen auf der Erde. Er hockte, halb sitzend, halb liegend am Boden, der Kopf hing auf die Brust herab, Blut tropfte ihm aus den Mundwinkeln.
    Berthold konnte die aufsteigende Übelkeit kaum noch unterdrücken. Selbst die drei Soldaten, die an der Wand standen, waren weiß im Gesicht wie Kalk. Der Ire sah auf. Die Maske blieb, da war kein Schmerz, keine Schuld, nichts zu erkennen. Er warf einen Blick auf die halb bewußtlose Gestalt, schob dann Berthold zur Seite, der ihm die Tür versperrte, und rief seinen Soldaten zu, sie könnten gehen. Erleichtert schlichen sie auf den Gang.
    »Wer wird ihn hängen?« fragte Berthold leise.
    »Custodis«, sagte der Ire mit leerer Stimme.
    »Custodis? Der macht sich nicht die Hände schmutzig!«
    »Nein«, fauchte der Ire wütend, »der nicht. Dann wird es an mir sein, ihn umzubringen.«
    Er schritt zum Tisch, nahm sein Messer auf und steckte es sich in den Gürtel. »Schickt jemanden, der ihm zu trinken gibt.«
    Custodis war zufrieden. Er spürte, daß die Stimmung sich endgültig gegen ihn gewandt hatte, aber das kümmerte ihn nicht. Er ließ den Jungen in eine der Zellen schaffen. Und durch die Burg geisterte das Gerücht wie ein Irrlicht. Der Ire habe den Jungen zusammengeschlagen und ihm das Nasenbein und beide Arme gebrochen. Nach fünf Minuten habe der Junge gestanden.
    Raupach schauderte. Er hatte diesen seltsamen Ausländer nie gemocht, aber jetzt mußte er mit ihm sprechen. Er fand ihn im Obstgarten, wo er im Gras lag, einen Becher Wein neben sich. Raupach hockte sich vor ihn. »Ich habe einen Boten nach Lüneburg geschickt«, begann er, »ich will wissen, wie weit Custodis’ Vollmachten gehen.«
    Cai Tuam rührte sich nicht. Als er endlich die Augen aufschlug, schienen sie glasig vom Alkohol. »Es ist zu spät«, sagte er nur.
    Raupach seufzte. »Ich fürchtete es auch. Ich kann Custodis’ Befugnisse nicht anzweifeln. Hat der Junge wirklich gestanden?«
    Die Hand des Iren tastete nach dem Becher. Er richtete sich halb auf, sah,

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