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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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klatschen. Irgendeiner von Raupachs Männern muß es erzählt haben, als sie hierhergezogen sind.«
    Der Ire grinste. »Die Mutter der allerchristlichsten Herrin die Freundin einer Hexe? Oder gar selbst eine?«
    Sigrun schüttelte den Kopf. »Nein, eine Hexe ganz gewiß nicht. Aber du weißt, was die Leute reden. Ist deine Mutter Christin?«
    »Ja, aber mein Vater ist ein Krieger, der von den Zeiten träumt, als man den Feinden die Köpfe einschlug und sie sich über die Türe hängte.«
    »Bei Nerthus«, murmelte die Alte. »Wißt Ihr, daß wir zu Zeiten der Römer zusammen gebetet und die Götter angerufen haben, dein und mein Volk gemeinsam? Es gibt noch heute in der Nähe des Rheins, in den Bergen einer Gegend, deren Namen ich vergessen habe, einen Tempel zu Ehren der Muttergottheiten. Mögen die Götter geben, daß er stehenbleibt bis ans Ende der Welt.« Sie seufzte. »Geh mit den Göttern, junger Mann, welche du auch immer verehrst.«
    Sie segnete ihn, wie die Priesterinnen es früher zu tun pflegten. Er spürte wieder diesen Schauder, der ihm durch den Leib rieselte. Dann wandte er sich um und schlüpfte aus der Hütte.

KENAZ
    Å
    »Ein sechstes kann ich,
versehrt mich ein Mann mit böser Baumwurzel:
diesen Gegner, der Grimm mir weckt,
trifft zuerst das Unheil.«

Die Nacht war stockfinster. Neumondnacht. Die Säfte des Lebens beginnen sich zu wandeln, behaupteten die Alten. In der Burg herrschte auffällige Ruhe. Keine Soldatengesänge, keine Würfel, die über eine Tischplatte klackerten. Selbst das Vieh verhielt sich still. Es gab keine Sterne, keinen Mond, keinen Wind.
    Es war die Zeit, wo die Irrlichter über die Heide trieben. Man sagte von ihnen, sie seien bunt und erinnerten an Glühwürmchen. Es waren die verdammten Seelen von verfluchten Toten. Niemand wagte sich in die Heide, wenn die Irrlichter umgingen. Nicht einmal die Sachsen, die hier geboren waren.
    Nur einer schien verwegen genug. Ein junger Mann auf seinem Pferd, der sich kaum aufrecht halten konnte. Wegen des Neumonds fiel ihm die Orientierung schwer. Er ritt langsam. Welche Richtung nahm man bei Neumond? Ganz gleich, nur weit fort. Und nicht im Kreis, das war die Gefahr. Wenn man im Kreis ritt, trat man auf der Stelle und erlag einer fatalen Illusion. Doch wer sich auskannte in der Heide, kam auch bei Neumond zurecht. Wacholder bildeten markante Punkte oder Föhren, die in Gruppen standen. Ein murmelnder Bach, ein Adlerhorst. Nur nicht im Kreis, ohne Anfang, ohne Ende, und die Föhren schwiegen in dieser Nacht, auch wenn man ihre Sprache verstand.
    Custodis tobte. Beim Frühstück mit Haferkuchen und verwässertem Wein hatte ihm der wachhabende Soldat mitgeteilt, der Gefangene sei ausgebrochen. Die Wache sei bewußtlos aufgefunden worden, die Tür zur Zelle habe aufgestanden.
    Custodis war unberechenbar. Und Maria zog sich in ihre Kammer zurück. Selbst hier oben hörte sie seine Stimme, dröhnend, kläffend. Sie sah aus dem Fenster. Soldaten stoben in alle Richtungen, Hunde schlugen an, Pferde wieherten. Berthold kam in die Kammer gestürzt, sagte, sie seien hinter dem Jungen her und verschwand wieder. Dann plötzlich war Ruhe.
    Maria versuchte zu lesen. Aber ihre Gedanken schweiften ständig zu dem Jungen zurück. Wie günstig, daß er geflohen war, wo doch niemand ihn hängen wollte! Nur die Angst, Custodis’ Willkür würde sie alle an den Galgen bringen, hatte sie alle wegsehen lassen. Aber wer hätte ihn denn letztendlich aufknüpfen müssen? Hatte der Ire dem Jungen geholfen und sie alle vor einem schlechten Gewissen und nächtlichen Schuldträumen bewahrt? Wie edel, dachte Maria spöttisch.
    »Ich habe da einen hübschen Garten gefunden, mitten in der Heide.« Maria drehte sich um. Katharina, die alte Sächsin stand in der Tür. »Habt Ihr nicht Lust, mit mir hinzugehen?«
    Was wollte sie in der heißen Sonne auf der Heide? Die Schwüle lag schon jetzt wie eine Glocke über den Mauern. »Du willst doch nicht Spazierengehen«, meinte sie belustigt.
    Katharina setzte sich zu ihr aufs Bett. »Nein, Herrin, ich möchte, daß Ihr jemanden kennenlernt. Sie sind alle fort, den Jungen suchen. Keiner wird merken, wenn wir ein bißchen ausgehen.«
    »Was ist los, Frau?« Maria wurde ungeduldig. Die schwarze Krähe war ihr unheimlich, so wie alle Sachsen.
    »Zuerst hörte ich es von der Köchin, aber inzwischen sprechen sie alle davon. Ich meine, die Sachsen, die hier leben.«
    »Mein Gott, Katharina, wovon sprechen sie?«
    »Sie haben

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