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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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seinem Schicksal nicht davonlaufen. Das ist die Ursache der Schlechtigkeit auf dieser Welt, junger Mann, aber davon weiß heute niemand mehr etwas. Dein Herr ist krank, nicht wahr? Die Leute erzählen es.«
    »Eine Schwertwunde in der Hüfte, die nicht heilen will. Mein Herr sollte den Titel seines Bruders erben, aber er kann sich nicht entschließen, die Lage zu seinen Gunsten zu verändern. Auch er will seinem Schicksal davonlaufen. Also wartet er.«
    Sigrun streckte die Hand aus und legte sie dem Iren lächelnd auf den Arm. »Ihr habt noch die alte Art zu denken, das macht mich froh. Aber auch ohne die Runen zu legen, sehe ich, daß auch Ihr in diesem Zwiespalt lebt. Man sollte sich mit dem Teufel versöhnen, das ist die einzige Möglichkeit, ihm zu entkommen.«
    Sie lachte und stand auf. Hielt das Gesicht der Sonne entgegen und schloß die Augen. Ihre Haut war wie Pergament, die Lippen ein schmaler Strich.
    »Wollt Ihr mir die Runen legen?« fragte der Ire.
    Sie zog die Schultern hoch, ohne die Augen zu öffnen. »Muß ich das? Wißt Ihr die Antwort nicht selbst?«
    »Nein.«
    Sie nickte. »Geht jetzt, Kelte. Ich muß zu einem Bauern und ihm das Orakel lesen, denn er will wissen, ob seine Frau gesund wird. Aber wenn Ihr wollt, dann kommt wieder.«
    Er sah ihr zu, wie sie lange, dünne Holzstäbe in ein weißes Tuch legte, es zusammenknüpfte und unter ihren Mantel steckte. Dann wanderte er, das Pferd am Zügel, durch den Wald zurück. Er war innerlich aufgewühlt wie nach einer langen, schrecklichen Schlacht. Als wäre er gerade noch mit dem Leben davongekommen. Er war tief beunruhigt, weil er plötzlich wieder die Bilder vor Augen hatte, die ihn jahrelang in Ruhe gelassen hatten.
    Nach einer Woche schnappte Custodis’ Falle zu. Eines Morgens tauchte ein junger Mann im Hof auf: der langersehnte Sohn der Kräuterfrau. Er ließ sich festnehmen und wurde in Raupachs Schreibstube gebracht. Dort stand er, die Arme mit Ketten zusammengebunden, als Raupach eintrat. Custodis war schon da und rieb sich vergnügt die Hände. »Sieh an, sieh an, du suchst deine Mutter, nicht wahr? Dein Name?«
    »Ich habe keinen Namen.«
    »Jeder hat einen Namen, auch du.«
    »Meine Mutter nennt mich immer nur ›Junge‹.«
    Custodis begann um ihn herumzuspazieren, langsam und mit verschränkten Armen. »Also, hör zu, Junge. Wo warst du an jenem Morgen drei Tage vor dem Osterfest?«
    »Auf dem Hofe meines Lehnsherren«, kam die prompte Antwort. Custodis schwieg verblüfft. Damit hatte er nicht gerechnet. Hatte dieser Kerl sich also schon eine Ausrede zurechtgelegt?
    »Lüge!« schrie er, daß Raupach zusammenfuhr.
    »Laßt es nachprüfen, Herr«, sagte der Junge.
    »Du hast einen Auftraggeber. Eine Armbrust hast du ja, wie ich weiß. Wer hat die üble Angelegenheit für dich erledigt, hm? Oder hast du deinen Lehnsherren bestochen, damit er für dich eine falsche Aussage macht?«
    »Welche Angelegenheit, Herr?«
    Custodis erging sich in umständlichen Erläuterungen und war sichtlich verstimmt. »Bringt ihn runter«, befahl er schließlich. Sie schafften den Jungen in das Gewölbe, während Custodis auf dem Hof nach dem irischen Soldaten schrie. Jemand ging und holte ihn.
    »Jetzt seid Ihr dran«, sagte Custodis süffisant lächelnd.
    »Ich bin kein Folterknecht«, gab der Ire zurück.
    »Ihr seid Soldat«, fauchte Custodis, »Ihr wißt, wie man so etwas macht. Also los, bringt ihn zum Sprechen.«
    Der Ire drehte sich brüsk um und rief nach drei Männern. Dann stiegen sie die Treppe zum Gewölbe hinab und schlugen die schwere Eichentür hinter sich zu.
    Im Haus war alles still. Man hätte die reifen Kirschen hören können, wie sie ins Gras fallen. Aber dann entstand unter dem Gesinde, allesamt Sachsen, eine seltsame Unruhe. Maria hörte sie flüstern, sah ihre nervösen Blicke und fragte sich, was vor sich ging. Einer der Stallknechte war spurlos verschwunden, ein anderer bekreuzigte sich ständig und murmelte leise Gebete vor sich hin. Als sie genug von dem merkwürdigen Verhalten der Leute hatte, stieg Maria zu ihrer Kammer herauf und fand Berthold am Fenster sitzen.
    »Ist es zu Ende?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    »Custodis ist verrückt genug, den Jungen umbringen zu lassen, ohne Richterspruch, ohne Prozeß. Und er geht nicht mal hin und befragt diesen Freibauern.«
    Maria nickte. »Custodis befiehlt nur. Ausführen tun die anderen. Wäre Cai Tuam dazu fähig, den Jungen umzubringen?«
    Berthold

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