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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Papier führen sollte, um eine leserliche Antwort zu schreiben.‹«
    Ohne von dem Bogen aufzusehen, hielt sie inne und räusperte sich.
    »›Lassen Sie mich, liebe Freundin, Ihnen zuallererst dafür danken, daß Sie mir diese schreckliche Nachricht überbracht haben. Es kann Ihnen nicht leichtgefallen sein, so etwas überhaupt zu formulieren. Manchmal scheint die Grausamkeit des Lebens noch das Maß des Vorstellbaren zu übersteigen. Nach dem Tod meines geliebten Friedrich hatte ich gedacht, von nun an gebe es nichts mehr zu hoffen oder zu fürchten. Für mich bedeutete er das Ende allen Glücks, Schönen und Wertvollen. Jetzt, so glaubte ich, könnte mich kein Schicksalsschlag mehr treffen. Wie hatte ich mich doch getäuscht! Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie mich das schmerzt. Allein schon der Gedanke, daß mir jemand, ein Mensch mit einem Herzen und einer Seele, zutraut, ich könnte den Mann, der für mich die Liebe und der Inhalt meines Lebens war, verletzt haben, bereitet mir unerträgliche Schmerzen. Ich bin außer mir vor Trauer.
    Wenn diese Frau nicht bedingungslos alle Behauptungen zurücknimmt und gesteht, daß sie betrunken oder verrückt war, muß ich sie verklagen. Ich verabscheue diesen Schritt aus tiefstem Herzen, aber ich habe keine Wahl. Ich kann nicht dulden, daß derart über Friedrich gesprochen, daß unsere Liebe in den Schmutz gezogen wird. Ich bin zu ewiger Trauer und Einsamkeit verdammt und kann sein Leben nicht mehr retten, aber seinen Ruf als den Mann, den ich über alles geliebt und angebetet habe, werde ich bewahren. Ich kann, ich werde nicht zulassen, daß die Welt glaubt, ich hätte ihn verraten.
    Ich bleibe für immer in Ihrer Schuld. Ihre Freundin Gisela.‹«
    Lady Wellborough ließ den Bogen auf die Balustrade sinken und sah Harvester in die Augen. Ihr Gesicht war kalkweiß. Sie rang um Fassung.
    Aber um sie kümmerte sich niemand mehr. Praktisch alle Blicke waren auf Gisela gerichtet, auch wenn sie nur vom Profil zu sehen war. Einige Frauen schnieften, ein Geschworener starrte geradeaus und zwinkerte mehrmals sehr schnell, ein anderer schneuzte sich unnötig laut.
    Harvester räusperte sich.
    »Ich denke, wir können davon ausgehen, daß diese Entwicklung Prinzessin Gisela zutiefst erschütterte und ihr in der Trauer über den Verlust ihres geliebten Mannes zusätzlicher Schmerz zugefügt wurde.«
    Lady Wellborough nickte.
    Harvester forderte nun Rathbone auf, seinerseits Fragen an die Zeugin zu stellen, doch dieser verzichtete erneut.
    Rathbone hörte die Leute überrascht miteinander tuscheln und bemerkte fassungsloses Staunen auf der Miene eines der Geschworenen, aber er hatte keine andere Möglichkeit. In einer so verzweifelten Situation wie dieser würde er die Lage mit jeder Frage nur verschlimmern, denn er böte Lady Wellborough die Gelegenheit, ihre Aussage zu wiederholen.
    Der Vorsitzende unterbrach nun die Verhandlung für die Mittagspause, woraufhin Rathbone an Harvester vorbei eilig auf ein kleines Zimmer zusteuerte, um sich dort mit Zorah, die er mehr oder weniger hinter sich herzerrte, unter vier Augen zu besprechen. Hinter ihnen knurrte und fauchte wütend die sich langsam auflösende Menge.
    »Gisela hat Friedrich nicht getötet!« rief Rathbone, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Ich habe nichts in der Hand, was Ihre Beschuldigung einigermaßen nachvollziehbar, geschweige denn wahr erscheinen ließe! Lenken Sie doch ein, um Himmels willen! Geben Sie zu, daß Sie sich von Ihren Emotionen haben hinreißen lassen, daß Sie sich getäuscht haben …«
    »Ich habe mich nicht getäuscht«, erwiderte Zorah müde. Ihre grünen Augen waren gleichwohl ruhig und ihr Blick fest. »Ich lasse doch nicht von der Wahrheit ab, nur weil sie unbequem geworden ist. Mich wundert, daß Sie dazu bereit sind. Ist das Ihr Mut mitten in der Schlacht, der Ihnen so großen Ruhm eingebracht hat?«
    »Wer mit fliegenden Fahnen ins feindliche Feuer läuft, macht sich vielleicht einen Namen in der Geschichte«, entgegnete er schroff, »aber er opfert damit nur sinnlos sein Leben. Romantische Vorstellungen, schön und gut, aber in Wirklichkeit bedeutet Krieg nichts anderes als Tod, Qualen, Krüppel, weinende Witwen und Mütter, die ihre Söhne nie wiedersehen werden. Es ist höchste Zeit, daß Sie zu träumen aufhören und sich dem Leben stellen, so wie es ist.« Er hörte selbst, daß seine Stimme immer lauter und schriller wurde, doch er konnte sich nicht mehr bremsen. In

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