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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Gewährsleute haben sich gewiß korrekt verhalten und sich öffentlich davon distanziert, wie man es wohl auch von rechtschaffenen Bürgern erwarten kann, aber sind Sie sicher, daß sie insgeheim nicht doch das Gegenteil denken? Hat sie nicht vielleicht doch ein leiser Zweifel beschlichen?«
    »Ich weiß nur, was mir gesagt wurde«, erwiderte Florent. Rathbone erhob sich.
    »Ja, ja«, brummte Richter, bevor er etwas sagen konnte. »Mr. Harvester, Ihre Fragen sind rhetorisch und hier nicht angebracht. Wie Sie sehr wohl wissen, widersprechen Sie sich damit selbst. Mr. Barberini kann unmöglich wissen, ob die Gedanken der anderen mit ihren Worten übereinstimmen. Er hat gesagt, daß alle seine Bekannten die Vorwürfe nicht glauben konnten. Wenn Sie uns vom Gegenteil überzeugen wollen, dann müssen Sie es uns beweisen.«
    »Euer Ehren, das habe ich auch vor.« Harvester ließ sich nicht im geringsten aus der Ruhe bringen. Rathbone hätte an seiner Stelle nicht anders reagiert. Wenn man wußte, daß man alle Trümpfe in der Hand hatte, konnte man leicht gelassen bleiben.
    Harvester wandte sich lächelnd wieder Florent zu. »Mr. Barberini, ist Ihnen bekannt, ob Prinzessin Gisela durch diese Bezichtigung, abgesehen von emotionalem Leid, noch weiterer Schaden zugefügt wurde?«
    Florent zögerte.
    »Mr. Barberini?« mahnte Harvester.
    Florent hob den Kopf. »Bei meiner Rückkehr nach Venedig hörte ich, daß die Gerüchte auch dort kursierten…« Erneut verstummte er.
    »Und ihnen wurde in Venedig genausowenig Glauben geschenkt?« fragte Harvester mit sanfter Stimme.
    Schon wieder zögerte Florent.
    Der Richter beugte sich vor. »Sie müssen nach bestem Wissen antworten, Sir. Sagen Sie nur, was Sie wissen. Aber Sie sollen, oder vielmehr, Sie dürfen nicht spekulieren.«
    »Nein«, erklärte Florent so leise, daß die Geschworenen Mühe hatten, ihn zu verstehen. Im Saal erstarben abrupt alle Geräusche.
    »Nein«, bekräftigte Florent. »Zwar dachten einige laut darüber nach, ob etwas an den Gerüchten war, aber es waren nur sehr wenige, vielleicht zwei oder drei. In jeder Gesellschaft gibt es ja die Leichtgläubigen und die Gehässigen. Prinzessin Gisela lebt dort nun schon seit einigen Jahren. Natürlich hat sie sich da als Dame der hohen Gesellschaft Feinde wie Freunde gemacht. Ich bezweifle, daß jemand den Vorwürfen ernsthaft Glauben schenkte, aber ihre Gegner griffen sie wohl bereitwillig auf, um ihrem Ruf zu schaden.«
    »Haben die Gerüchte ihr geschadet, Mr. Barberini?«
    »Sie waren sehr unerfreulich.«
    »Haben sie ihr geschadet?« rief Harvester auf einmal mit donnernder Stimme. Er legte den Kopf zurück, um den über ihm stehenden Florent eindringlich ansehen zu können. Auch wenn er von eher schmächtiger Gestalt war, an seiner Autorität bestand kein Zweifel. »Weichen Sie mir nicht aus, Sir! Blieben auf einmal die Einladungen in bestimmte Häuser aus? Waren die Leute unfreundlich zu ihr? Wurde sie ignoriert oder beleidigt? Empfand sie es als peinlich, sich an bestimmten öffentlichen Orten unter ihresgleichen sehen zu lassen?«
    Florent lächelte. Es bedurfte schon mehr als selbst des besten Barristers, um ihn aus der Ruhe zu bringen. »Ihre Kenntnisse der Hintergründe scheinen äußerst gering zu sein, Sir«, antwortete er. »Kaum war der Gedenkgottesdienst vorüber, zog sich Prinzessin Gisela in tiefer Trauer von der Gesellschaft zurück. Sie blieb in ihrem Palazzo, empfing nur höchst selten Besucher und zeigte sich nie am Fenster. Sie ging nirgendwohin, nahm keine Einladungen an und wurde nie in der Öffentlichkeit gesehen. Ich weiß nicht, ob ihr weniger Menschen Blumen oder Briefe schickten, als das normalerweise der Fall gewesen wäre. Und wenn ja, kann man über die Gründe nur spekulieren. Es hätten Hunderte sein können. Ich weiß, was ich gehört habe, nicht mehr. Wie immer ein Gerücht lauten mag, es wird immer welche geben, die es weiterverbreiten. Ugo Casselli behauptete einmal, er hätte bei Vollmond eine Nixe auf den Stufen von Santa Maria Maggiore sitzen sehen. Sogar das wurde von irgendeinem Idioten aufgegriffen!«
    Die Zuschauer brachen in Gelächter aus, das sofort erstarb, als Harvester wütend in den Saal blitzte.
    Aber Rathbone sah mit plötzlicher, vielleicht grundloser Erleichterung, daß der Richter grinste.
    »Und Sie finden das witzig?« fuhr Harvester Florent an. Florent wußte, wie die Frage gemeint war, spielte aber den Verständnislosen. »Erheiternd!« rief er, die Augen

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