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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zorah selbst, wird schon dafür sorgen.«
    Freilich war Rathbone alles andere als beruhigt, als er am nächsten Morgen den Gerichtssaal betrat. Sollte Zorah wirklich ein Geheimnis hüten, das ihre wahren Absichten erklären würde, so ließ ihr bleiches, beherrschtes Gesicht nichts erkennen.
    Er stand ein paar Meter hinter Zorah, die bereits Platz genommen hatte, als Harvester auf ihn zutrat. Jetzt, da er nicht zu den Geschworenen redete, sah sein Gesicht gar nicht mehr so verkniffen aus. Hätte Rathbone ihn nicht anders erlebt, hätte er es sogar für freundlich gehalten.
    »Guten Morgen, Sir Oliver«, sagte Harvester jovial. »Na, immer noch kampfbereit?« Er wirkte fast mitleidsvoll und alles andere als herausfordernd.
    »Guten Morgen.« Rathbone zwang sich zu einem Lächeln.
    »Es ist ja noch nicht vorbei.«
    »Und ob!« Harvester schüttelte, ebenfalls lächelnd, den Kopf.
    »Ich lade Sie hernach zum besten Dinner von ganz London ein. Was, zum Teufel, ist nur in Sie gefahren, daß Sie einen solchen Fall angenommen haben?«
    Er kehrte zu seinem Pult zurück. Einen Moment später kam Gisela herein. Heute trug sie ein anderes, aber nicht minder edles schwarzes Kleid mit gestuften Röcken und engem Mieder, das um Hals und Handgelenke mit einem schwarzen Pelz besetzt war. Zorah würdigte sie mit keinem Blick. Man hätte meinen können, sie kenne sie überhaupt nicht, so reglos war ihre Miene.
    Um Zorahs Lippen spielte ein vages Lächeln, das sofort wieder verschwand.
    Nachdem der Richter die Verhandlung eröffnet hatte, erhob sich Harvester und rief seine erste Zeugin auf, Gräfin Evelyn von Seidlitz. Voller Anmut stieg sie mit rauschendem, schwarz umrandetem zinngrauen Rock in den Zeugenstand. Bei all ihrem Glanz gab sie sich dem Anlaß entsprechend ernst, wenn auch nicht wirklich in Trauer, ohne daß ihre feminine Ausstrahlung gelitten hätte. Es gehörte enormes Geschick dazu, niemanden zu verletzen und trotzdem die eigene Pracht keineswegs zu verleugnen. Rathbone hielt sie für außerordentlich schön und stellte bald fest, daß es den Geschworenen nicht anders erging. Er konnte es ihren Gesichtern ablesen; sie hingen schier an ihren Lippen und glaubten ihr offensichtlich jedes Wort.
    Evelyn erklärte, daß die Beschuldigungen trotz der Entfernung auch in Venedig und Felzburg die Runde gemacht hätten. Was Venedig betraf, so gab sich Harvester damit zufrieden, zu erfahren, daß nicht jeder sie als Unsinn abgetan hatte, und ging gleich zu den Reaktionen in Felzburg über.
    »Natürlich wurden sie dort wiederholt«, sagte Evelyn und sah ihn mit ihren großen, schönen Augen an. »Klatschgeschichten wie diese werden bestimmt nicht so leicht begraben.«
    »Ganz gewiß«, sagte Harvester trocken. »Mit welchen Emotionen wurde denn die Geschichte weitererzählt? Wurde sie und sei es auch nur vorübergehend – für bare Münze genommen?« Er registrierte aus den Augenwinkeln, daß Rathbone Anstalten machte aufzustehen, und fügte mit einem dünnen Lächeln hinzu: »Vielleicht sollte ich es besser etwas anders ausdrücken. Hörten Sie jemanden die Meinung äußern, die Beschuldigung sei wahr, oder erweckte sein Verhalten bei Ihnen den Eindruck, daß er daran glaubte?«
    Mit ernster Miene antwortete Evelyn: »Ich bekam mit, wie eine Reihe von Leuten die Nachricht genüßlich aufnahmen und sie dann mit Spekulationen gespickt weitergaben, als wäre sie eine Tatsache und nicht Verleumdung. Solche Geschichten werden ja immer aufgebauscht, vor allem von den Feinden der Betroffenen. Und die Feinde der Prinzessin haben sich die Hände gerieben.«
    »Sprechen Sie von Bürgern Felzburgs, Gräfin?«
    »Selbstverständlich.«
    »Aber die Prinzessin lebt seit über zwölf Jahren nicht mehr dort, und ihre Rückkehr ist wenig wahrscheinlich.«
    »Die Leute haben ein langes Gedächtnis. Einige haben ihr bis heute nicht verziehen, daß sie Friedrichs Liebe erwiderte und ihn – wie sie meinen – dazu verleitete, sein Land und seine Pflichten aufzugeben. Und wie so viele, die hoch aufgestiegen sind, hat sie Feinde, Neider, die sich an ihrem Sturz weiden würden.«
    Harvester musterte Zorah, als erwäge er eine Nachfrage, um es sich dann aber anders zu überlegen. Dennoch war seine Absicht nur allzu deutlich, ohne daß Rathbone hätte Einspruch einlegen können. Es war ja nichts gesagt worden.
    Harvester sah wieder zu seiner Zeugin auf. »Diese ungeheuerliche Beschuldigung könnte der Prinzessin also enormen Schaden zufügen, wenn sie

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