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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und klar gesagt, daß es so ist.« Er trat näher zum Feuer.
    »Aber Sie müssen doch einen Grund für Ihre Annahme haben«, verteidigte sie sich. »Wie kommen Sie darauf? Wer war es?«
    »Entweder der Bruder der Königin, Rolf, oder Brigitte«, antwortete er. »Sie hatten beide handfeste Motive. Gisela war der einzige Grund, der gegen Friedrichs Rückkehr sprach. Ohne sie wäre er nicht gegangen, aber die Königin hätte sie auf keinen Fall geduldet, obwohl er der natürliche Führer der Unabhängigkeitsbewegung gewesen wäre.«
    »Warum nicht?« fragte Hester wie aus der Pistole geschossen.
    »Wenn ihr die Unabhängigkeit so viel bedeutete, dann hätte sie doch sicher Gisela in Kauf nehmen können! Aber auch wenn sie sie noch so ablehnt, diese Vorstellung ist einfach absurd! Königinnen ermorden doch keine Leute, nur weil sie sie nicht mögen. Diese Zeiten sind vorbei! So etwas glaubt Ihnen kein Geschworener!«
    »Wegen der Erbfrage«, knurrte Monk. »Im Falle einer Trennung von Gisela – oder ihres Todes, hätte Friedrich wieder heiraten können, vorzugsweise eine Frau aus einer angesehenen Familie, hinter der das Land gestanden und die ihm Kinder geschenkt hätte. Damit wäre das Königshaus gestärkt statt geschwächt worden. Wer weiß, womöglich hat Ulrike Ambitionen auf den Thron eines vereinten Deutschlands. Auf alle Fälle ist sie energisch…«
    »Oh…«, entfuhr es Hester. Das waren Dimensionen, die sie schier erschlugen. Mit besorgter Miene wandte sie sich zu Rathbone um und trat bewußt näher an ihn heran, als suche sie bei ihm Schutz. Doch dann reckte sie das Kinn und fragte Monk herausfordernd: »Und was hat Zorah damit zu tun? Ist sie über ein Mordkomplott gestolpert?«
    »Seien Sie nicht albern«, brummte Monk unwirsch. »Sie ist Patriotin durch und durch. Wahrscheinlich hat sie den Plan mit ausgeheckt.«
    »Ganz bestimmt!« spottete Hester. »Darum erhob sie auch ein solches Geschrei, als alles schiefging und Friedrich statt Gisela starb, damit auch alle mitbekamen, daß es Mord war und kein natürlicher Tod, wie die ganze Welt so schön glaubte. Sie will Selbstmord begehen, hat aber nicht den Mut, sich selbst die Kugel zu geben. Oder aber sie hat die Seiten gewechselt und will alles auffliegen lassen.« Sie redete in ihrer Empörung immer schneller. »Oder besser noch: Sie ist eine abtrünnige Doppelagentin! Und jetzt will sie die Unabhängigkeitspartei ruinieren, indem sie in ihrem Namen einen Mord begeht und sich dafür hängen läßt!«
    Monk starrte sie angewidert an.
    Unvermittelt schlug sich Rathbone an die Stirn. »Vielleicht ist das gar nicht so verrückt, wie es klingt!« rief er. »Vielleicht ist wirklich alles schiefgegangen, und Zorah erhebt gerade deswegen einen Vorwurf, von dem sie weiß, daß sie ihn nicht beweisen kann! Vielleicht will sie aus Liebe zu ihrem Vaterland eine vollständige Untersuchung erzwingen, damit die Wahrheit endlich ans Licht kommt, selbst wenn sie sich dafür opfern muß! Vielleicht hat sie erkannt, daß der Unabhängigkeitskampf nicht gewonnen werden kann und letztlich nur zur Unterwerfung ihres Landes, zur Auslöschung seiner Kultur führt!« Er hatte sich in Fahrt geredet. Der Gedanke erschien ihm immer plausibler. »Ist sie nicht eine Idealistin, der genau so etwas zuzutrauen wäre?« Er sah Monk mit bohrendem Blick an, der eine Antwort forderte.
    »Warum?« fragte Monk bedächtig. »Friedrich ist tot. Egal, was passiert, er kann nicht mehr zurückkehren. Wenn Zorah oder die Anhänger der Einheit ihn ermordet haben, um genau das zu verhindern, haben sie doch ihr Ziel erreicht? Warum freuen sie sich dann nicht einfach über den Sieg?«
    »Weil jemand anders die Fackel aufnehmen könnte«, entgegnete Rathbone. »Es muß einen Ersatz geben, auch wenn er vielleicht nicht gleichwertig ist. Aber fürs erste wäre die Unabhängigkeitsbewegung jedenfalls diskreditiert. Es würde lange dauern, bis sie sich rehabilitiert hätte, und bis dahin wäre die Vereinigung vielleicht schon einfait accompli.«
    Hester blickte von einem zum anderen. »Aber Friedrich wollte doch zurückkehren, oder?«
    Rathbone wandte sich an Monk. »Wollte er?«
    »Ich weiß es nicht!« Monk erfaßte die beiden anderen mit einem Blick, so nahe standen sie beieinander vor dem Feuer, das jetzt nur noch die beiden wärmte. »Aber wenn Sie der Wahrheit auf der Spur sind und Ihre Aufgabe mit dem gewohnten Geschick erledigen, wird sie sich über kurz oder lang abzeichnen. Jemand, vielleicht

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