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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Gräfin Zorah Rostova bei mehreren Anlässen eine scheußliche Beschuldigung gegen Sie vorgebracht hat, was sie selbst auch nie abgestritten hat. Ihre Freunde wiederum haben beeidet, daß sie mitverfolgen konnten, wie Sie darunter litten und noch leiden.« Er streifte die Galerie mit einem Blick. »Von Gräfin von Seidlitz haben wir gehört, daß diese Beschuldigung Ihren Feinden in Ihrer Heimat, die Ihnen Ihre Ehe mit dem Prinzen bis heute verübeln, neue Munition gegen Sie in die Hand gegeben hat. Könnten Sie bitte dem Gericht schildern, wie Ihr Gatte starb? Ich verlange nicht, daß Sie sich mit gezwungenermaßen schrecklichen Erinnerungen über Gebühr quälen. Eine kurze Darstellung genügt vollauf.«
    Gisela umklammerte mit ihren schwarz behandschuhten Händen das Geländer, als brauche sie eine Stütze. Es dauerte einen langen Augenblick, bis sie die Kraft für ihre Antwort gesammelt hatte.
    Rathbone unterdrückte ein Stöhnen. Das war ja schlimmer als befürchtet! Diese Frau war perfekt. Sie hatte Würde. Ein tragisches Schicksal sprach zu ihren Gunsten, und sie verstand es, diesen Vorteil nicht über Gebühr auszunutzen. Vielleicht hatte Harvester ihr dazu geraten, vielleicht verfügte sie auch selbst über genügend Stilempfinden.
    »Er fiel bei einem Ausritt vom Pferd«, sagte sie mit gepreßter, aber im ganzen Saal vernehmbarer Stimme. »Er wurde sehr schwer verwundet. Sein Fuß war im Steigbügel hängengeblieben, und das Pferd schleifte ihn mit, bis es festgehalten werden konnte.« Sie holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Dann hob sie ihr kräftiges Kinn. »Erst dachten wir, er würde sich erholen. Es ist selbst für den besten Arzt sehr schwer zu erkennen, wie gefährlich eine innere Verletzung werden kann. Dann erlitt er plötzlich einen Rückfall und… war nach wenigen Stunden tot.«
    Sie stand absolut regungslos da. Ihr Gesicht war eine Maske der Hoffnungslosigkeit. Man hätte meinen können, die Trauer hätte sie restlos ausgezehrt und sie kenne nur noch endlose Schmerzen und Einsamkeit.
    Harvester wartete, bis auch der letzte die Tragik ihres Verlusts erfaßt hatte. »Und der Arzt sagt, daß innere Blutungen die Todesursache waren?« fragte er schließlich mit sanfter Stimme.
    »Ja.«
    »Nach der Beerdigung kehrten Sie nach Venedig in Ihr Heim zurück, das Sie mit ihm geteilt hatten?«
    »Ja.«
    »Wie erfuhren Sie von Gräfin Rostovas ungeheuerlicher Beschuldigung?«
    Sie reckte das Kinn etwas weiter vor. Rathbone starrte sie an. Sie hatte ein bemerkenswertes Gesicht, und es strahlte eine einzigartige Gefaßtheit aus. Sie war gezeichnet von einer schrecklichen Tragödie, doch je länger er sie betrachtete, um so robuster erschien ihm diese Frau.
    »Als erste berichtete mir Lady Wellborough in einem Brief davon«, antwortete sie auf Harvesters Frage. »Dann bekam ich auch Post von anderen. Am Anfang dachte ich, das sei in einem Augenblick geistiger Verwirrung geschehen, sie habe diese Worte nach - ich will jetzt nicht ausfallend werden, aber ich habe ja keine andere Wahl mehr - übermäßigem Weinkonsum gesagt.«
    Harvesters Augen weiteten sich. »Welches Motiv könnte Gräfin Rostova Ihrer Meinung nach gehabt haben?«
    »Ich möchte lieber nicht darauf antworten«, erwiderte Gisela mit eisiger Würde. »Ihr Ruf ist bei vielen nur zu gut bekannt. Aber ich interessiere mich nicht dafür.«
    Harvester verzichtete darauf nachzuhaken. »Und wie fühlten Sie sich, als Sie davon erfuhren, Madam?«
    Sie schloß die Augen. »Nach dem Tod meines geliebten Mannes hatte ich nicht für möglich gehalten, daß das Leben noch andere Schläge für mich bereithalten könnte. Nun, Zorah Rostova hat mich eines Besseren belehrt. Der Schmerz war fast unerträglich. Die Liebe zu meinem Mann war mein Lebensinhalt. Daß jemand sie auf solche Weise entweihen kann …, mein Schock läßt sich nicht mit Worten ausdrücken.«
    Sie hielt inne. Im Saal herrschte völlige Stille. Niemand wandte die Augen von ihrem Gesicht, niemand empfand den Begriff der Entweihung als unangemessen.
    »Ich möchte lieber nicht…, ich kann nicht über meine Schmerzen sprechen, wenn ich die Fassung nicht verlieren soll«, fuhr Gisela stockend fort. »Ich werde vor diesem Gericht aussagen, wie es meine Pflicht ist, aber ich werde meine Trauer und meine Schmerzen vor meinen Feinden oder vor denen, die mir übel wollen, nicht zur Schau stellen. Es wäre taktlos, das von mir…, von irgendeiner Frau zu verlangen. Erlauben Sie mir,

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