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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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den Eiben in Wellborough Hall erzählt, woraufhin er weitergehende Recherchen angestellt hatte. Freilich durfte er diesen Arzt nicht gegen sich aufbringen, wenn er nützliche Details von ihm erfahren wollte. Und er mußte vergessen, daß Zorah weit vorgebeugt lauschen und jedes Wort begierig in sich aufsaugen würde.
    »Ich denke, wir alle können Ihr Dilemma nachvollziehen«, begann er mit dem Anflug eines Lächelns. »Sie hatten keinerlei Grund zu der Annahme, der Fall sei nicht so, wie er Ihnen geschildert wurde. Kein Mensch würde vermuten oder vorhersehen, daß in einem solchen Haus Dinge geschehen könnten, die nicht so sind, wie sie sein sollten. Hätten Sie dergleichen auch nur angedeutet, hätte man Ihnen Taktlosigkeit, ja, Unverschämtheit vorgeworfen. Aber im nachhinein weiß man vieles besser. Lassen Sie uns also im Lichte dessen und der gewonnenen Erkenntnisse über die politische Lage noch einmal untersuchen, was Sie gesehen und gehört haben, und erörtern, wie Ihre Interpretation jetzt ausfällt.«
    Er legte, wie um sich zu entschuldigen, die Stirn in Falten.
    »Ich tue das nur ungern. Es kann für alle Anwesenden nur schmerzlich sein, aber Sie werden sicher einsehen, daß es für die Erkenntnis der Wahrheit unabdingbar ist. Wenn ein Mord vorliegt, muß er nachgewiesen und der oder die Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden.«
    Er sah bewußt die Geschworenen und dann Gisela an, die mit bleichem Gesicht, aber gefaßt neben Harvester saß.
    »Und wenn kein Verbrechen verübt wurde, sondern es wirklich nur eine Tragödie war, dann müssen wir auch das beweisen und für immer das böse Gerede zum Schweigen bringen, das sich über ganz Europa verbreitet hat. Die Unschuldigen haben ohne Wenn und Aber ein Recht auf unseren Schutz.«
    Bevor Harvester sich darüber beschweren konnte, er würde eine Rede halten, wandte er sich wieder dem Zeugen zu. »Dr. Gallagher, welche Symptome traten während Prinz Friedrichs letzten Stunden und unmittelbar vor seinem Tod im einzelnen auf? Wenn ich könnte, würde ich gerne die Gefühle der Anwesenden, insbesondere der Witwe schonen, aber es muß leider sein.«
    Gallagher blieb einen Moment lang stumm. Anscheinend überlegte er, was er sagen sollte.
    »Möchten Sie in Ihren Aufzeichnungen nachsehen, Dr. Gallagher?« bot ihm der Richter an.
    »Nein, danke, Euer Ehren. Diesen Fall werde ich nie vergessen.« Der Arzt holte tief Luft und räusperte sich geräuschvoll. »An dem Tag, an dem sich der Zustand des Prinzen verschlechterte, wurde ich bereits vor der ohnehin geplanten Visite geholt.
    Ein Bediensteter erschien bei mir an der Tür und bat mich, sofort mitzukommen, weil es Prinz Friedrich so schlecht gehe. Als ich ihn fragte, um welche Symptome es sich handele, nannte er Fieber, schlimme Kopfschmerzen, Übelkeit und innere Schmerzen. Natürlich ließ ich alles liegen und stehen und fuhr hinaus.«
    »Hatten Sie damals keine anderen Patienten?«
    »Doch, einen. Einen älteren Herrn mit Gicht, für den ich aber nichts tun konnte, außer ihm zu raten, keinen Portwein mehr anzurühren. Er hörte leider nicht auf mich.«
    Nervöses Kichern ging durch den Saal, dann herrschte wieder Stille.
    »Und wie beurteilten Sie Prinz Friedrichs Zustand, Dr. Gallagher?« fragte Rathbone.
    »Weitgehend so, wie ihn der Diener geschildert hatte. Er litt unter schlimmen Schmerzen und hatte sich übergeben. Leider war das Erbrochene verschämt weggeschüttet worden, so daß ich nicht untersuchen konnte, wieviel Blut es enthielt. Allerdings hatte mir die Prinzessin versichert, es sei eine beträchtliche Menge darin gewesen. Sie befürchtete schwere Blutungen und war außer sich vor Sorge. Ja, ihre emotionalen Qualen schienen schlimmer zu sein als seine physischen.«
    »Übergab er sich noch einmal in Ihrer Anwesenheit?«
    »Nein. Sehr bald nach meiner Ankunft verfiel er in eine Art Delirium. Er war sehr geschwächt. Seine Haut war kalt und feucht. Sein Puls, sofern er sich überhaupt fühlen ließ, schlug höchst unregelmäßig. Ich gebe zu, daß ich von da an um…, um sein Leben fürchtete und kaum noch Hoffnung für ihn sah.«
    Der Arzt war leichenblaß geworden. Sein Gesicht war ein Spiegel seiner Selbstvorwürfe, und er verkrampfte sich immer mehr. Rathbone konnte sich lebhaft vorstellen, wie Gallagher sich verzweifelt um Hilfe für den Sterbenden bemüht hatte, in dem Bewußtsein, bar aller Einflußmöglichkeiten zu sein und nur dem Todeskampf ohnmächtig zusehen zu können. Einen

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