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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der er erzählt hat, diese Miss Stanhope, hat ihn anscheinend schon teilweise darauf vorbereitet. Aber es von mir zu hören ist etwas ganz anders, als es nur zu ahnen. Sie kennen ihn besser als ich. Von wem wird er es sich noch am ehesten sagen lassen?«
    »Das kommt auf die Reaktion seiner Eltern an«, antwortete Hester, der nicht klar war, wie fest die Ollenheims noch an ihre Hoffnung glaubten. Sie befürchtete, daß Bernd sich dagegen wehren und damit alles nur noch schwerer machen würde. Dagmar würde sich für sie beide der Realität stellen müssen.
    »Vielleicht sollten wir ihnen die Wahl lassen, selbst darüber zu entscheiden, es sei denn, das ist unmöglich.«
    »Sehr schön. Gehen wir nach unten?«
    Bernd und Dagmar warteten im großen Wohnzimmer auf sie, wo sie sich gemeinsam vor dem Kaminfeuer wärmten. Sie standen nahe beieinander, ohne sich zu berühren. Als Hester und der Arzt eintraten, legte Bernd jedoch den Arm um seine Frau. Sein Blick spiegelte den Kampf zwischen Hoffnung und Angst wider.
    Dagmar las die Wahrheit schon an ihren Mienen ab. Sie schluckte. »Sie haben… schlechte Nachrichten?«Ihre Stimme brach.
    Hester wollte schon sagen, daß es hätte schlimmer kommen können, wenn er zum Beispiel Schmerzen hätte, doch dann dämmerte ihr, daß sie den Trost schon gar nicht mehr hören würden. Sie waren untröstlich.
    »Ja«, antwortete der Arzt an ihrer Stelle. »Ich fürchte, es wäre unrealistisch, daran zu glauben, daß er einmal wieder wird laufen können. Es…, es tut mir sehr leid.« Er hatte nicht mehr den Mut, die anderen Dinge zu sagen, die er mit Hester besprochen hatte. Vielleicht hatte ihm aber auch Bernds Gesicht verraten, daß er überfordert wäre.
    »Können Sie… gar nichts tun?« fragte Bernd. »Ein Kollege vielleicht? Ich will Sie nicht beleidigen, aber sollten wir nicht eine zweite Meinung einholen? Einen Chirurgen vielleicht… Neuerdings kann man ja Menschen vor einer Operation betäuben… Da läßt sich doch bestimmt wieder… zusammenfügen, was gebrochen ist. Ich…« Er verstummte.
    Dagmar schmiegte sich an ihn und umklammerte seinen Arm.
    »Wir können gebrochene Knochen heilen«, antwortete der Arzt so freundlich er konnte. »Aber hier handelt es sich nicht um eine Verletzung, sondern um eine innere Krankheit, die den Nerv beschädigt hat. Und es sind die Nerven, die die Empfindungen leiten.«
    »Kann er nicht gehen, ohne die Beine zu spüren?« rief Bernd.
    »Er kann es doch lernen! Ich habe doch schon Menschen mit toten Beinen laufen sehen!« In der Wut über die eigene Hilflosigkeit lief er rot an. Er konnte einfach nicht glauben, was er da gehört hatte. »Es wird seine Zeit dauern, aber wir schaffen das schon wieder.«
    »Nein.« Zum erstenmal meldete sich Hester zu Wort.
    Er blitzte sie an. »Danke für Ihre Meinung, Miss Latterly, aber diesmal ist sie nicht angebracht. Ich werde die Hoffnung für meinen Sohn nicht aufgeben!« Die Stimme brach ihm, und er rettete sich in seine Wut. »Sie sind als seine Pflegerin angestellt, nicht als Ärztin! Bitte lassen Sie sich nicht zu Meinungsäußerungen hinreißen, die nicht in Ihren Kompetenzbereich fallen.«
    Dagmar schnappte nach Luft.
    Der Arzt setzte zu einer Gegenrede an, wußte dann aber nicht, was er sagen sollte.
    »Ich bin in der Tat keine Ärztin«, sagte Hester ruhig. »Ich habe verfolgt, wie viele Männer sich damit abgefunden haben, daß sie zeitlebens behindert bleiben werden. Haben sie erst mal die Wahrheit akzeptiert, tut man ihnen keinen Gefallen, wenn man ihnen eine Hoffnung vorgaukelt, die es nicht gibt. Das wäre sogar eher eine zusätzliche Belastung für sie.«
    »Wie können Sie es wagen!« explodierte Bernd. »Ihre Unverschämtheiten lassen ich mir nicht bieten. Ich…«
    »Das ist keine Unverschämtheit, Bernd.« Dagmar legte begütigend die Hand auf die seine. »Sie versucht nur, uns dabei zu helfen, das Beste für Robert zu tun. Wenn er wirklich nicht mehr wird laufen können, ist es nur anständig von ihr, daß sie uns reinen Wein einschenkt.«
    Bernd riß sich von ihr los. Damit gab er ihr auch zu verstehen, was er von ihren Worten hielt – nichts.
    »Willst du wirklich so schnell aufgeben? Ich jedenfalls werde das nie tun! Er ist mein Sohn… Ich kann nicht aufgeben!« Er wandte sich ab, um sein von heftigen Gefühlen verzerrtes Gesicht zu verbergen.
    Dagmar wandte sich Hester zu. Der Schmerz, die Trauer waren auf ihrem Gesicht nur zu sichtbar. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, um

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