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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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weißem Kragen. Vermutlich war es ihr aus besseren Zeiten geblieben. Es stand ihr außerordentlich gut, verlieh es doch ihren Wangen etwas Farbe und ihren Augen mehr Glanz. Die Nervosität vermochte es ihr freilich nicht zu nehmen.
    »Er weiß es, nicht wahr?« fragte sie, bevor Hester den Mund aufbrachte.
    Ausflüchte hatten keinen Sinn. »Ja.«
    »Und der Baron und die Baronin? Es muß ihnen schrecklich weh tun!«
    »Ja. Ich…, ich glaube, Sie können jetzt wertvolle Hilfe leisten. In gewisser Hinsicht haben Sie ja dasselbe durchgemacht, nur haben Sie den Schock und die Wut überstanden.«
    »Manchmal.« Victoria lächelte, aber über ihre Augen senkte sich ein Schatten. »Es gibt Tage, da wache ich auf und habe das alles wirklich vergessen, aber nach wenigen Minuten ist es wieder da, und nichts hat sich geändert.«
    »Das tut mir leid.« Hester war beschämt. Aber natürlich – jedes Mädchen hatte hochfliegende Hoffnungen und Träume von Festen und Bällen, Liebeleien, Liebe, Hochzeit und Kindern. Und wenn eine junge Frau mit einem Schlag begriff, daß ihr das alles verwehrt bleiben würde, dann war das genauso schrecklich wie jetzt Roberts Schicksal. »Ich habe fürchterlichen Unsinn dahergeredet«, entschuldigte sie sich. »Ich hatte geglaubt, man könne lernen, sein Schicksal zu beherrschen, und nicht bedacht, daß das Gegenteil der Fall ist.«
    Einen Moment lang lächelten auch Victorias Augen, doch dann kehrte ihre Trauer zurück. »Meinen Sie, daß er mich sehen möchte?«
    »Ja. Allerdings weiß ich weder, in was für einer Stimmung er ist, noch was man heute mit ihm anfangen kann.«
    Ohne eine Antwort zu geben, setzte sich Victoria wieder in Bewegung. Den Rücken gerade durchgestreckt, ging sie mit wehenden Röcken weiter. Dort, wo die Sonne darauf fiel, leuchtete das Dunkelblau ungemein prächtig. Sie wollte so hübsch und anmutig aussehen, und doch stakste sie unbeholfen vor sich hin. Hester, die ihr nachsah, erkannte, daß sie heute besonders starke Schmerzen hatte. Plötzlich stieg so etwas wie Haß gegen Bernd in ihr hoch, weil er sie benutzen wollte, bis Robert besser zurechtkam, und sie danach keinen Platz mehr in seinem Leben haben sollte.
    Victoria klopfte an und trat ein, als Robert antwortete. Wie es die Konvention erforderte, ließ sie die Tür offen.
    »Sie sehen besser aus«, sagte sie. »Ich hatte schon einen Rückschlag befürchtet.«
    »Warum?« fragte er. »Von der Krankheit bin ich kuriert.«
    Sie wich ihm nicht aus. »Weil Sie wissen, daß es nicht mehr besser werden kann. Manchmal verschlimmern sich bei Schock oder Trauer die Symptome. Zumindest ist mit Kopfschmerzen oder Übelkeit zu rechnen.«
    »Ich fühle mich auch schrecklich«, beklagte er sich. »Wenn ich nur wüßte, wie man kraft seines Willens sterben kann… Nur würde Mama dann alle Schuld bei sich suchen. Also ist auch das kein Ausweg.«
    »Heute ist ein herrlicher Tag«, sagte sie in beiläufigem Ton.
    »Ich finde, Sie sollten in den Garten gehen.«
    »In der Einbildung?« fragte er mit hohntriefender Stimme.
    »Wollen Sie mir etwa den Garten beschreiben? Sparen Sie sich die Mühe. Ich weiß, wie er aussieht, und möchte lieber nichts hören. Das wäre, wie Salz in Wunden zu streuen.«
    »Ich kann Ihnen Ihren Garten gar nicht schildern, weil ich noch nie dort gewesen bin. Ich komme immer auf direktem Wege zu Ihnen. Aber ich dachte vielmehr daran, daß jemand Sie hinuntertragen könnte. Wie Sie ganz richtig sagen, sind Sie nicht sehr krank. Und es ist nicht kalt. Sie könnten wunderbar draußen sitzen und sich alles selbst anschauen. Ich würde Ihren Garten gerne kennenlernen. Wollen Sie ihn mir zeigen?«
    »Soll mich etwa der Butler in der Gegend herumtragen, während ich Ihnen sage: ›Das hier ist ein Rosenbeet, dort drüben sind die Margeriten und hier haben wir die Chrysanthemen‹?« stieß er hervor. »Ich glaube nicht, daß der Butler so stark ist. Oder dachten Sie an zwei Lakaien, einer links und der andere rechts?«
    »Der Lakai könnte Sie hinuntertragen, und Sie würden dann in einem Stuhl auf dem Rasen sitzen.« Trotz aller Wut und Verletzung weigerte sie sich, emotional auf seinen Ausbruch zu reagieren. »Von dort könnten Sie mir dann die Beete zeigen. Ich möchte heute nicht allzu weite Strecken zurücklegen.«
    Danach herrschte Schweigen.
    »Ach«, sagte er schließlich in einem ungleich sanfteren Ton , »haben Sie Schmerzen?«
    »Ja.«
    »Das tut mir leid. Ich hatte nicht daran gedacht.«
    »Möchten

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