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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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mitgegeben, und sie ist verständlich. Viel Arbeit für ohnehin überlastete Schwestern, und nur selten, wenn überhaupt, kleine Erfolge. Es traf wie immer die Stationen, die nur durch ihren AIPIer, ihren Arzt-im-Praktikum, vertreten waren, weil der Stationsarzt lieber mit seinen Schwestern Kaffee trank.
    Die Bettenkonferenz hieß ursprünglich Morgenkonferenz und war gedacht, um Problemfälle auf den Stationen oder aus den Nachtdiensten zu diskutieren. Aus diesem historischen Grund nahm fast immer das gesamte Zentralkomitee teil: die Chefärzte unserer drei Inneren Abteilungen und Professor Dohmke, der Herr über ein vollautomatisiertes – und inzwischen auch privatisiertes – Labor und gegenwärtig ärztlicher Leiter der Klinik.
    Die Herren Chefärzte und Professor Dohmke hatten seit Jahren keinen Nachtdienst mehr gemacht. Vorzüglich ausgeschlafen, waren sie schon morgens voller guter Ratschläge. Deshalb haben die Doktors nach einem Nachtdienst wenig Lust, von ihren kleinen und großen Kämpfen gegen eigene Unwissenheit, Uneinsichtigkeit von Patienten oder technische Unzulänglichkeiten zu berichten und sich die klugen Kommentare des Zentralkomitees anzuhören. Glaubte man den eintönigen Kurzberichten der Nachtdiensthabenden, schien in unserem Besten-aller-Krankenhäuser jede Nacht himmlische Ruhe zu herrschen.
    »Und wer hatte Aufnahmedienst?«
    Ich war eingedöst, die Runde der Berichte aus der Nacht wurde traditionell vom Diensthabenden der Aufnahmestation abgeschlossen.
    »Nichts Besonderes auf der Aufnahmestation«, meldete ich mich etwas verspätet zu Wort. »Wir hatten einen Todesfall. Ein Russe aus der CareClean-Putzkolonne, der letzten Oktober Patient bei uns war. Sah aus wie akutes Leberversagen. Er wird seziert.«
    »So, so, ein Russe.«
    Das war einer der bekannten tiefgründigen Kommentare von Professor Kindel, Chefarzt der Kardiologie und mein direkter Vorgesetzter.
    »Genaugenommen war er kein Russe. Er kam aus der Ukraine. Aber, wie gesagt, er wird seziert.«
    »Interessant, Herr Hoffmann. Berichten Sie uns dann.«
    Ich befand mich offensichtlich im Zustand fortgeschrittener Morgenblödigkeit nach Nachtdienst. Kein Mensch hier interessierte sich für meinen gelben Mischa, und erst recht nicht dafür, ob er aus Rußland oder der Ukraine kam. Er hätte vom Mars kommen können, mit einem die Menschheit bedrohenden außerirdischen Lebervirus, für meine Kollegen war die Bettenkonferenz gelaufen.
    Nachdem die Hauptschlacht, die Verteilung der neuen Patienten, geschlagen war, wollten alle Doktors nur noch möglichst schnell auf ihre Stationen, um das tägliche Hamsterrad auf Touren zu bringen. Natürlich würde ich nie von der Sektion berichten, und es würde auch nie jemand danach fragen. Wenigstens hatte ich nicht erwähnt, daß ich »Todesursache ungeklärt« angekreuzt hatte. Dies hätte mit Sicherheit zu einer ausführlichen Belehrung über das richtige Ausfüllen von Leichenschauscheinen geführt, und auch ich wollte schnell den Stationsalltag ins Laufen bringen.
    »Gut, wenn weiter nichts ist ...«
    Noch bevor Professor Kindel die Bettenkonferenz offiziell beendet hatte, waren die Stationsärzte auf dem Weg zu ihren Patienten.
    Der Tag lief dann auch nicht chaotischer als jeder andere Tag auf meiner Station IIIb, ich stand ihn irgendwie durch wie alle Tage nach Nachtdienst. Gleich nach der Visite rief ich im Patientenarchiv an, sie sollten mir die alte Krankengeschichte vom toten Mischa Tschenkow raussuchen, aber das Telefon im Archiv war wie immer besetzt. Also füllte ich einen Anforderungsschein für die Akte aus und warf ihn in den Ausgangskorb.
    Am frühen Nachmittag hatte ich die Station weitgehend unter Kontrolle und konnte ans Heimgehen denken – die entlassungsfähigen Patienten waren entlassen, die zu verlegenden Patienten waren verlegt, und die Neuaufnahmen waren aufgenommen. Ich hatte Glück, daß der mir zugeteilte Arzt im praktischen Jahr zur Zeit im Urlaub war, so konnte er mich nicht durch schlaue Fragen oder Lehrbuchbesserwisserei aufhalten. Ich bat Marlies, die zusammen mit Schreiber die Station IIIc nebenan managte, im Notfall nach meinen Patienten zu schauen, und meine Stationsschwester Elke bat ich, Marlies die Angehörigen vom Leib zu halten und den Patienten alle Ärzte außer Marlies. Ich hatte die Schnauze voll und wollte nach Hause. Heim in mein Bett und schlafen.
    Müde war ich, aber neugierig auch. Es war unwahrscheinlich, daß Mischa schon obduziert war, denn man

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