Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Natürlicher Tod. Sektion: verweigert.« Unterschrieben war er mit »Dr. Klaus Schreiber, Assistenzarzt«.
Ich gab Karl den Leichenschauschein zurück.
»Stimmt was nicht, Doktor?«
»Wer hat die Sektion verweigert, Karl?«
»Was weiß ich. Die Angehörigen wahrscheinlich, wer denn sonst. Mußt du Schreiber fragen.«
Genau das würde ich tun.
Von der Patho stürmte ich direkt in das Arztzimmer der IIIc und traf dort auf Marlies und Schreiber. Marlies diktierte Arztbriefe und entschädigte sich für diese ungeliebte Arbeit mit einem Stück Streuselkuchen, den feinen Puderzucker ziemlich gleichmäßig über ihre Lippen, das Diktiergerät und die Krankenakten verteilt. Schreiber war am Zusammenpacken, als junger Vater versuchte er, pünktlich nach Hause zu kommen.
»Was ist passiert, Schreiber?«
»Was soll passiert sein, Doktor? Ich habe einen beschissenen Nachtdienst gehabt auf unserem tollen Notarztwagen, habe heute sechs Patienten entlassen und sieben neue aufgenommen, und ich habe mich in der Röntgenbesprechung von Kindel anmachen lassen. Außerdem habe ich eine Frau und ein Kind und gehe jetzt nach Hause.«
»Ich komme gerade aus der Patho. Den gelben Russen von gestern abend haben sie schon abgeholt.«
»Na und?«
»Er ist nicht von der Gerichtsmedizin abgeholt worden. Er ist noch nicht einmal obduziert worden. Es gibt plötzlich einen neuen Leichenschauschein, von dir ausgefüllt und unterschrieben. Todesursache ›Finales Herz-Kreislauf-Versagen. Sektion verweigert.«
Ich meinte, ein leichtes Zittern seiner Hände beim Umpacken seiner Sachen in seinen Pilotenkoffer zu sehen. Aber immerhin war der Mann seit zweiunddreißig Stunden auf den Beinen.
»Meinst du nicht, Felix, ›finales Herz- und Kreislaufversagen‹ trifft den Tod eines Menschen in der Regel recht genau?« mischte sich Marlies mit einem Bissen Streuselkuchen zwischen den Zähnen ein.
»Ich will wissen, Schreiber, warum du einen neuen Leichenschauschein ausgefüllt hast.«
»Weil es so einfacher ist.«
»Was soll denn an dem neuen Leichenschauschein einfacher sein?«
»›Todesursache nicht aufgeklärt‹ hattest du mir aufgeschwatzt. Und das bedeutet ein langes Protokoll, Rückfragen von der Kripo und weiß ich was sonst noch.«
»Wer hat dir denn das erzählt?«
»Leute, die es offensichtlich besser mit mir meinen als du.«
»Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe. Das einzige, was bei ›Todesursache nicht aufgeklärt‹ passiert, ist, daß du irgendwann einmal eine Kopie des Obduktionsbefundes bekommst, und dann weißt du Bescheid. Und außerdem – alle eventuellen Rückfragen wären sowieso bei mir gelandet, ich hatte den Schein unterschrieben.«
»Paß mal auf, Dr. Hoffmann. Ich habe heute nacht noch drei Leichenschauscheine auf dem NAW geschrieben, gingen wirklich gut weg die Dinger. Einer war ein Mann um fünfzig, den wir fast eine Stunde lang reanimiert hatten, voll in seiner eigenen Scheiße. Dann habe ich eine alte Frau von ihrer Wäscheleine abgeschnitten heute morgen, sie war schon seit Stunden kalt und roch auch nicht mehr ganz frisch. Und als letztes kam eine halbe Stunde vor dem Schichtwechsel ein Säugling von acht Monaten, der tot in seinem Heiabettchen lag. Das Geschrei seiner Eltern hallt mir jetzt noch in den Ohren. Aber wenn du möchtest, Herr Altassistent, werde ich dir in Zukunft morgens alle Leichenschauscheine vorlegen. Oder ich kann dich auch in der Nacht anrufen, wenn es dir lieber ist.«
Er hatte seinen Pilotenkoffer fertig gepackt, zog sein Sommerjacket über und ging wütend hinaus.
»Was war denn das für eine Vorstellung?« fragte Marlies, während sie die letzten Streusel aus der Tüte fischte. Die Tür flog noch einmal auf, Schreiber stand im Türrahmen.
»Übrigens, falls du mich im Zentralkomitee melden willst, nur zu!«
Die Tür flog wieder zu.
»Genau weiß ich auch nicht, worum es eigentlich geht. Schreiber hat gestern nacht mit dem Notarztwagen einen ehemaligen Patienten von mir angeschleift. Als Rundum-Sorglos Paket, aber dead upon arrival. Als der bei mir vor ein paar Monaten auf Station lag, hatte er ein paar Prellungen und Schnittwunden, aber nichts von Bedeutung. Jedenfalls ist uns nichts aufgefallen. Und gestern nacht war er quittegelb und tot. Ich möchte wenigstens wissen, woran er jetzt erkrankt und gestorben ist. Und nun wird er nicht seziert, weil Schreiber eventuell bei seinem Einsatz irgendwas versaut hat.«
Marlies stand auf und legte mir ihre Hände
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