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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Patientenblut untersuchen kann. Und alles, was man tun muß, ist eine schöne Vene zu finden, ein bedeutendes Gesicht zu machen und einige Kreuzchen auf dem Laborzettel. Nun kann man sich natürlich fragen, warum unsinnige Laboruntersuchungen, die natürlich auch ein Kostenfaktor sind, nicht unterbunden werden. Keine gute Frage an einem Krankenhaus mit privatisiertem Laborbereich, dessen Chef und sicher auch Teilhaber der ärztliche Direktor der Klinik ist. Professor Dohmke.
    Wie gesagt, nach rein medizinischen Gesichtspunkten hätte Mischa entlassen werden können. Doch ich fürchtete, ihn dann schon am nächsten Tag wieder bei uns putzen zu sehen, und fand, daß er sich noch ein paar Tage Urlaub verdient hätte. Außerdem wußte ich zwar nicht, aus welchem Grund er zusammengeschlagen worden war (er selbst bestand weiterhin auf der Version vom unglücklichen Sturz), hielt es aber für wahrscheinlich, daß seine persönliche Bedrohung mit Abstand von diesem Ereignis abnehmen würde. Natürlich würde schon bald ein Formular der Krankenkasse auf meinen Schreibtisch flattern mit der Anfrage, warum der Patient Tschenkow noch nicht entlassen werden könne, aber es war so gut wie sicher, daß mindestens eine der hundert von Harald veranlaßten Laboruntersuchungen wenigstes grenzwertig pathologisch ausfallen würde, oder sogar hochpathologisch, durch eine Fehlbestimmung oder eine Verwechslung der Proben im Labor. Das ist ein Gesetz der Statistik und würde mir beim Ausfüllen der Anfrage nützlich sein.
    Ich sollte recht behalten. Mischa war knapp zwei Wochen unser dankbarer und für mich unaufwendiger Patient gewesen, als ich am Nachmittag aus dem Herzkatheterlabor kam und den nach allen bisherigen Untersuchungsergebnissen vollkommen gesunden Mischa als Empfänger einer Bluttransfusion fand, die er genauso wie Haralds sonstige Aktivitäten frag- und klaglos über sich ergehen ließ. Harald studierte derweil im Arztzimmer die weiteren Ergebnisse seines täglichen Laborrundschlages.
    »Wir hatten recht, den Russen noch hier zu behalten. Uns ist da fast eine schwere Anämie durch die Lappen gegangen. Ich habe gleich Kreuzblut abgenommen, die erste Konserve läuft schon.«
    »Habe ich gesehen.«
    Harald strahlte stolz wie Oskar, endlich ein Menschenleben, das er gerettet hatte.
    »Nur gut, daß ich heute noch mal ein Blutbild abgenommen habe. Wir hätten ihn sonst womöglich mit einem Hb von 5,5 auf die Straße gesetzt.«
    »5,5 Hb?«
    »Ja. Ziemlich niedrig, was?«
    »Wann, Harald, hatten Sie bei Mischa das letzte Blutbild gemacht?«
    Mischas Blutbild war zwei Tage zuvor genauso normal gewesen wie vor vier Tagen, vor sechs Tagen, vor acht Tagen und wann immer sonst Harald »Blutbild« auf dem Laborzettel angekreuzt hatte. Es war am Computer ziemlich leicht, den Hb von 5,5 seinem rechtmäßigen Besitzer zuzuordnen, einem Patienten mit Magenkrebs, der wirklich dringend eine Blutkonserve brauchte. Offensichtlich hatten Harald oder das Labor für alle Untersuchungen des Tages die Proben von Mischa und dem Patienten mit Magenkrebs verwechselt, und Mischa hatte Glück gehabt, daß die Blutbilder vor den übrigen Laborergebnissen fertig geworden waren. Hätte Harald eine Chance gehabt, auch diese Laborwerte zu sehen – ich wagte mir nicht auszumalen, mit welcher Form von Akuttherapie Harald unseren armen Ukrainer noch beglückt haben könnte. Für mich nun keine Frage, Mischa schleunigst zu entlassen, bevor er ernsthaft Schaden durch unser Krankenhaus nehmen würde.
    Dazu kam es allerdings nicht mehr. Am nächsten Morgen war Mischa von meiner Station verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf. Nicht als Patient und auch nicht als fleißige Kraft des Reinigungsdiensts CareClean.
    Ich sah ihn erst wieder als tote Leiche auf der Aufnahmestation, am Abend des Spieles Deutschland-Rumänien. Und da konnte er mir nicht mehr erzählen, wer ihn damals auf dem Bahnhof zusammengeschlagen hatte und weshalb. Und warum er sich ohne Abschied aus der freundlichen Obhut unserer Klinik entfernt hatte. Ich fühlte mich nicht wohl. Vielleicht hatte Schreiber unserem Mischa mit einem Kunstfehler bei der Notfallversorgung den endgültigen Schubs versetzt und deshalb mit einem neuen Leichenschauschein die Sektion verhindert, aber ohne Zweifel war Mischa zu diesem Zeitpunkt bereits todkrank gewesen.
    Hatte ich damals geschlafen, etwas Entscheidendes übersehen? Oder hatte er sich etwas in der Klinik eingefangen? Hatte ich ihn der medizinischen

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