Die Saat der Finsternis (German Edition)
der Erek lag. Er schien fest zu schlafen, zumindest regte er sich nicht. Er hatte sich tief in seine Decke vergraben und wie üblich seitlich zusammengerollt; nur sein Haar war zu sehen. Marjis konnte Lamár nicht erkennen, aber es stand außer Frage, dass sie irgendwo dort bei ihm war. Sie ließ Erek nie einen Moment allein, sobald er abends aus der Mine zurückkehrte. Beiden schien es gut zu tun, Marjis sprach zwar nur zu ihm, wirkte allerdings nicht mehr ganz so scheu, sobald sich ein anderer ihr zuwandte, und hatte nicht mehr diesen greisenhaften Ausdruck im Gesicht. Erek hielt sich abseits von allen anderen, sprach nur, wenn er etwas gefragt wurde, erledigte stumm jede noch so erniedrigende Arbeit, die man ihm auftrug. Doch er aß, hielt sich aufrecht und war nicht mehr in dieser weltentrückten Trance verloren.
Erek gab sich viel Mühe, stets dort zu sein, wo Lamár gerade nicht war. Dieser Eifer, ihm aus dem Weg zu gehen, wirkte schon fast lächerlich, auch wenn Lamár ihm dafür dankbar war. Wann immer sich aber ihre Blicke kurz trafen, zeigten sich Trauer und Hoffnungslosigkeit im Gesicht des Fremden, von solcher Intensität, dass es selbst den Wächtern aufgefallen war – sie spotteten darüber, fragten Lamár, ob er sich nicht mal um seinen abgelegten Liebhaber kümmern wollte. Mattin allen voran. Lange würde das nicht mehr gut gehen …
Aufgewühlt legte sich Lamár wieder nieder und versuchte zu vergessen, was der Traum hochgespült hatte. Soviel Gewalt!
Falls das wirklich Erinnerungen sein sollten, dann will ich nicht wissen, wer ich einmal war. Ich hab ihn ja fast zu Tode geprügelt! Vielleicht – vielleicht war ich gar kein Söldner, sondern ein Sklavenjäger? Er erschauderte unbehaglich. Doch was sollten diese Bilder sonst bedeuten? Offenbar hatte er, Lamár, den jungen Mann gewaltsam gefangen genommen und an Sklavenhändler verkauft. Wahrscheinlich hab ich mich irgendwann mit dem Falschen angelegt und wurde selbst versklavt … Dieser Gedanke war unerträglich!
Ihr Götter, gebt, dass ich nicht ein solches Monster wie Ruquinn war, bitte, das darf nicht sein! Es kostete ihn viel Kraft, die grauenhaften Bilder zu unterdrücken. Als er fast eingeschlafen war, kam ihm ein neuer Gedanke, der so beruhigend war, dass er endlich loslassen konnte: Erek zeigte keine Furcht vor ihm und hatte ihn für keinen einzigen Moment voller Hass angestarrt. Immer nur Trauer oder leere Resignation. So als wären sie gute Freunde oder Verwandte gewesen. Lamár hoffte weiter darauf, sich ihm bald nähern und mit ihm sprechen zu können, ohne von starken Schmerzen in die Knie gezwungen zu werden.
Und wenn er mir sagen würde, dass ich tatsächlich ein Monster war? Nun, dann wüsste ich es und müsste nicht mehr zweifeln …
*
Ein neuer Tag in den Minen. Arkin verteilte die Arbeiten. Erek wurde, wie in den letzten Tagen auch schon, in einen der neuen Tunnel geschickt, wo er allein arbeitete. Niemand wollte freiwillig Schulter an Schulter mit ihm stehen, wenn es sich vermeiden ließ. Schweigsam wie immer erduldete Erek diese Ausgrenzung, die allerdings nicht mehr feindselig war. Viele akzeptierten ihn als einen der ihren, da er gute Arbeit leistete. Lamár hoffte, dass der junge Mann bald von sich aus die Nähe der anderen suchen würde. Er war sicher, man würde ihn nicht zurückzuweisen. Zumindest, solange es keinen weiteren Vorfall zwischen Erek und ihm gab, der Lamár an den Rand eines Zusammenbruchs brachte.
Alle trugen mittlerweile Arbeitskittel und Werkzeug, das übliche allgemeine Chaos entstand, als alle gleichzeitig zu ihrem zugewiesenen Platz gehen wollten. Lamár wartete geduldig, dass er aus dem Gewühl herauskommen konnte. Männer, die zu allen Seiten strebten, schoben Erek zu ihm heran. Viel zu nah, kaum einen Schritt entfernt. Zum Glück stand er mit dem Rücken zu ihm! Kaum hatte Lamár das gedacht, da drehte sich Erek zu ihm herum. Lamár fuhr zurück, als er das Gesicht dieses Mannes unvorbereitet so dicht vor sich sah. Dieser Mann, dessen Anblick nichts als Schmerz bedeutete.
„Bleib weg von mir!“, rief er entsetzt. Eine Schmerzwelle schoss durch seinen Kopf und von dort sein Rückgrat hinab, sodass er beinahe gelähmt stillstehen musste, bis diese Folter endlich nachließ. Zumindest war er nicht wieder zusammengebrochen.
„Es … verzeih mir“, flüsterte Erek tonlos und wich langsam einige Schritte zurück. Zu langsam für Tiko: Der Junge schubste ihn zornig von Lamár fort. Seit dem
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