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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Mann seinen Entschluss gefasst hatte, den Tod zu suchen.
    Splittern von Holz.
    Es war ein leises Geräusch, doch es dröhnte in Lamárs Ohren wie ein Donnerschlag. Eine Kaskade sinnloser Bilder ergoss sich in sein Bewusstsein, begleitet von einer Flut beängstigender, unbegreiflicher Emotionen.
    „Lys?“, wisperte er, ohne zu verstehen warum. Sein Werkzeug fiel unbeachtet zu Boden. Er warf sich voran, in den Stollen hinein. Lamár hörte die Schreie der Männer hinter sich. Er hörte das Krachen, als der Balken nachgab und wie ein dürrer Zweig einknickte. Für einen winzigen Moment sah er das Grauen in dem Gesicht, das er so sehr liebte. Lamár prallte gegen Lys. Gemeinsam fielen sie zu Boden, sein Schwung trug sie dabei weit nach hinten in den Tunnel. Ohrenbetäubender Lärm von herabstürzendem Felsgestein. Dann wurde es dunkel.

4.
     
    Lamár versuchte die Augen zu öffnen. Sie waren verklebt von Staub und Tränen. Sein ganzer Körper brannte wie Feuer, als er langsam zu Bewusstsein kam. Er hustete, versuchte die Hand zu heben, um sich über die Lider reiben zu können. Sein Arm gehorchte wider Erwarten. Es war allerdings so dunkel um ihn herum, dass es keinen Unterschied machte, ob er die Lider geöffnet oder geschlossen hielt. Wo war er denn nur? Warum war die Luft so furchtbar staubig, warum schmerzte jeder Knochen in seinem Leib? Mühsam kämpfte er sich hoch, bis er sitzen konnte. Zumindest schien nichts gebrochen zu sein, aber an der gesamten rechten Körperhälfte ertastete er klebrige Feuchtigkeit – Blut. Offenbar war er gestürzt und hatte sich einige hässliche Schürfwunden zugezogen, vermutlich auch heftige Prellungen. Er erinnerte sich nicht an den Sturz, trotzdem, das war die einzige Erklärung. Doch warum hatten die anderen nicht versucht, ihm zu helfen? Hatten sie gar nicht gemerkt, dass er fehlte, und waren einfach nach der Arbeit nach Hause gegangen?
    Unvorstellbar.
    Lamár hustete und spuckte den Staub aus der Lunge, dann holte er tief Luft, um nach Arkin, Tiko und den anderen zu rufen. Sie mussten irgendwo hier sein! Sicherlich war seine Laterne bei dem Sturz erloschen und sie hatten ihn deshalb noch nicht gefunden; bald würden sie ihn vermissen und suchen.
    Ein tiefes Stöhnen unmittelbar neben ihm ließ Lamár erstarren. Plötzlich war sie wieder da, die Erinnerung an die letzten Augenblicke, bevor er bewusstlos geworden war. Das Beben. Der Tunneleinsturz. Das Wissen. Er wusste, wer dort neben ihm lag.
    „Ere… Lys?“ Dieser Name brachte nur noch mehr Schmerz, doch Lamár biss die Zähne zusammen. Er wusste nicht, woher er diesen Namen kannte, was ihn überhaupt auf die Idee brachte, Erek könnte diesen Namen tragen. Es fühlte sich lediglich richtig an, ihn auszusprechen.
    Zögernd tastete er über den Boden, bis er einen warmen Körper berührte. „Lys?“, wiederholte er. Angst, dass dieser rätselhafte Mann schwer verletzt sein könnte, zu schwer, um seine Fragen jemals zu beantworten, lähmte ihn für einen Moment. Ein Teil von ihm hatte Angst ihn zu verlieren. Ein anderer hoffte, Lys würde niemals mehr aufwachen und ihn allein durch seine Nähe foltern. Ihm niemals Antworten geben, die ihn mit einer Wahrheit konfrontieren könnten, die er nicht ertragen würde. Entschlossen biss Lamár die Zähne zusammen, dann tastete er sich weiter vor. Er spürte langsame, regelmäßige Atemzüge. Der Fremde war noch immer ohne Bewusstsein. Er lag mit verdrehten Gliedern auf der Seite, das Gesicht zu Lamár gewandt. Lamár zischte leise, als er trocknendes Blut an Stirn und Wange fühlte. Schnell fand er die Verletzung am Kopf und versuchte mit den Fingern abzuschätzen, ob etwas gebrochen war – es schien nur eine harmlose Platzwunde zu sein, auch wenn er sich in der Dunkelheit nicht sicher sein konnte. Die Erleichterung darüber war stärker als die Enttäuschung, und dafür war Lamár wirklich dankbar.
    Ich bin kein Monster …
    Erek – nein, Lys, Lys war der Name, er wusste es einfach! – Lys regte sich unter seinen Händen, schmerzlich stöhnend versuchte er, Lamárs Griff zu entkommen.
    „Langsam, du musst liegen bleiben“, sagte er so beruhigend wie möglich und hielt den Verletzten nieder, als der in Panik um sich zu schlagen begann. Keuchend sank Lys zurück, hustete krampfhaft, versuchte dann wieder, sich zu befreien.
    „Nein, nicht mehr, nicht mehr …“
    Die Verzweiflung, die in diesem heiseren Flüstern mitschwang, schnürte Lamár die Kehle zu, gleichzeitig bohrte

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