Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
Vom Netzwerk:
bin recht zufrieden.« Océanes Blick hat etwas Musterndes. »Und, auf welcher Seite stehen Sie, Camille?«
    Was meint sie damit?, schießt es Camille durch den Kopf.
    »Ich bin Journalistin. Ich darf auf keiner Seite stehen.«
    Wieder dieser musternde Blick. »Jeder steht auf einer Seite, Camille. Die, die das verneinen, trauen sich nur nicht, Farbe zu bekennen.«
    »Nein, es gibt die neutralen Beobachter.«
    »Die gibt es nicht.«
    In Camille regt sich Widerstand, sie will sich nicht auf eine solche Diskussion einlassen, Océane gehört zu den Menschen, die niemals zugeben würden, dass sie sich geirrt haben. »Gefällt Ihnen die Musik?«, fragt Océane plötzlich. »Jean Sibelius. Fünf Klavierstücke.«
    »Ich muss zugeben, ich bin nicht ganz so …« Nein, Musik ist noch nie ihre Stärke gewesen. Malerei, Architektur schon eher.
    »Er hat jedes Stück einem Baum gewidmet.« Océane fällt ihr ins Wort. Offenbar hat sie gar keine Antwort erwartet. »Eine schöne Idee, nicht wahr? Tatsächlich war er nicht einmal ein guter Pianist. Meine Mutter hat immer wieder über seine Stücke den Kopf geschüttelt, aber er hat damit seinen Verlag bei Laune gehalten, bis er wieder eine Symphonie beendet hatte. Hören Sie.« Sie schließt die Augen, genießt die Minuten bis zum Ende des langsamen Stücks, und Camille fragt sich erneut, warum die Vizedirektorin sich ihr auf diese Weise zeigt.
    Will sie positive Publicity? Will sie, dass Camille überall verbreitet, wie feinsinnig und menschlich die Vizedirektorin von Edenvalley ist?
    Als der Wagen endlich vor ihrem Haus anhält, atmet nur ein Teil in ihr auf, der andere will einfach weiterfahren.
    »Vielen Dank«, sagt sie, den Türgriff schon in der Hand.
    »Gern geschehen. Waren Sie schon einmal in Genf, Camille?«
    Camille zögert, denkt nach. »Ja. Bei einer Veranstaltung des Internationalen Roten Kreuzes, aber das ist schon eine ganze Weile her.«
    »Ich würde Sie gern einladen. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit.«
    Camille steigt aus. Jetzt, denkt sie, jetzt musst du es tun. Und so beugt sie sich noch einmal hinunter.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    Océane lächelt, als hätte sie längst auf diese Frage gewartet.
    »Wie hoch ist die Auflage Ihrer Zeitschrift, Camille?«, fängt Océane an. »Fünfzig-, sechzigtausend? Und wie viele Zuschauer sehen Ihre Sendung?« Die Vizedirektorin lässt ihren Blick über Camilles Gesicht wandern. »Glauben Sie mir, Sie könnten etwas viel, viel Größeres bewegen, Camille.«
    »Was?«
    »Die Welt?«
    Camille will weiterfragen, fragen, was sie wohl damit meint, doch da wünscht ihr Océane schon eine gute Nacht und schließt die Tür.
    »Gute Nacht«, erwidert Camille kaum hörbar und sieht dem Wagen hinterher, bis er in die Dunkelheit taucht.
    Einen Moment lang erlaubt sie sich, über Océanes Privatleben nachzudenken. Gibt es da jemanden? Einen Mann? Eine Frau vielleicht? Oder ist Dr. Océane Rousseau so sehr von ihrer eigenen Großartigkeit fasziniert, dass sie bloß Bewunderer braucht?
    Unter dem gelben Licht über dem Hauseingang zieht Camille den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und kramt nach dem Hausschlüssel. Die Welt bewegen … Sie hat noch Wein zu Hause. Immerhin.
4 Sonntag, 30. März
Tromsø
    Das Rot der untergehenden Sonne wirft einen rosa Schimmer auf die sich zehntausend Meter unter ihm ausbreitende Landschaft aus zerklüfteten schnee- und eisbedeckten Landzungen und das schwarze Meer. Ethan wollte ihr den Fensterplatz überlassen, doch sie hat darauf bestanden, dass er ihn nimmt. Gedankenverloren starrt er hinunter. Er hat sich über Lejeunes Anordnung hinweggesetzt, hat die Stadt – und ja, sogar das Land – verlassen. Diesmal wird nichts schiefgehen. Niemand kann ihn verfolgt haben, er ist zum Hintereingang hinaus und hat zweimal das Taxi gewechselt, er hat Pauline nichts gesagt – und falls Aamu doch etwas mit all dem zu tun haben sollte, er wirft ihr einen kurzen Blick zu, den sie lächelnd erwidert, hat er sie unter Kontrolle.
    »Noch einen Kaffee?« Die Stewardess hält die Thermoskanne bereit, er schüttelt den Kopf. Aamu lässt sich noch eine Tasse eingießen. Er wundert sich, wie viel Kaffee sie trinkt. Kommt vom Studium, hat sie ihm erklärt, wie soll man sonst eine Nacht durchlernen?

    Als gestern Abend in der Talkshow Professor Hirsch genannt wurde, wusste Ethan sofort, dass er den Namen schon einmal gehört hatte. Ein paar Minuten später war ihm eingefallen, wann und wo. Acht Jahre

Weitere Kostenlose Bücher