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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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bis dahin wollte sie alles aussortiert haben.
    Dafür brauchte sie allerdings eine Waffe, und das Erste, was ihr in den Kopf kam, war Hermanns Machete. Er hatte sie vor einigen Jahren mit nach Hause gebracht und, in Öltuch eingewickelt, in dem Gartenschuppen neben dem Haus verwahrt. Als sie ihn einmal gefragt hatte, wozu in aller Welt er so ein Ding brauche - ein Dschungelwerkzeug in Sheepshead Bay? -, hatte er nur höhnisch gegrinst und gesagt: »Man kann nie wissen.« Diese ständigen Andeutungen waren ein fester Bestandteil des täglichen Psychokriegs gewesen.
    Glory nahm den Schlüssel vom Haken, ging nach draußen und öffnete den Schuppen. Sie fand das Öltuch vergraben unter Gartenwerkzeug und einem alten, zersplitterten Krocket-Set, einem Hochzeitsgeschenk, das sie bald als Feuerholz verwenden würde. Sie brachte das Päckchen in die Küche und legte es auf den Tisch, zögerte jedoch einen Moment, bevor sie es öffnete.
    Für Glory hatte dieser Gegenstand schon immer etwas Böses gehabt. Entsprechend ehrfürchtig wickelte sie ihn nun aus - als würde sie einen schlafenden Babydämon von seinen Windeln befreien. Hermann hatte es nie ausstehen können, wenn sie seine persönlichen Dinge anfasste.
    Die Klinge war lang und breit, der Griff mit Lederstreifen umwickelt, die durch die ausgiebige Benutzung durch den Vorbesitzer weich und braun geworden waren. Glory nahm die Waffe, drehte sie um, spürte das Gewicht dieses eigenartigen Gegenstandes in ihrer Hand. Sie sah ihr Spiegelbild in der Glastür der Mikrowelle, und es machte ihr Angst.
    In ihrer Küche stand eine Frau mit einer Machete in der Hand.
    Sie ging nach oben, blieb unter der Speicherklappe stehen und griff nach dem untersten Knoten des herabbaumelnden Seils. Die Klapptür öffnete sich, die Federn ächzten laut, und eine Leiter senkte sich herab. Der Lärm scheuchte mit Sicherheit alle eventuell dort lauernden Viecher auf. Sie lauschte nach sich entfernendem Getrappel. Doch es war nichts zu hören.
    Als sie auf den Lichtschalter drückte, tat sich nichts. Seit Weihnachten war sie nicht mehr auf dem Speicher gewesen; die Birne musste wohl irgendwann durchgebrannt sein. Aber zum Glück war da noch ein kleines Dachfenster.
    Glory zog die Leiter ganz herunter und stieg hinauf. Nach drei Stufen befand sie sich auf Augenhöhe mit dem Speicherboden. Der Ausbau war noch nicht abgeschlossen: Die Glaswollmatten zwischen den Sparren waren noch unverkleidet, und kreuzförmig ausgelegte Sperrholzplatten bildeten improvisierte Pfade in alle vier Richtungen.
    Es war dunkel. Dunkler als sonst. Sie sah, dass zwei der alten Kleiderständer - an denen in Plastiksäcken eingemottete Röcke seit dreizehn Jahren vor sich hin gammelten - vor das niedrige Dachfenster geschoben worden waren. Sie folgte den Holzplatten und schob die Ständer beiseite, um mehr Licht hereinzulassen, wobei sie sich vornahm, die Sachen hier, von denen etliche aus ihrer Zeit
vor Hermann
stammten, durchzugehen und ihrem alten Ich einen kleinen Besuch abzustatten. Plötzlich entdeckte sie abseits des Sperrholzes ein Stück nackten Boden. Zwischen zwei langen Balken war die Isolierung aus irgendeinem Grund entfernt worden. Und auch an anderen Stellen fehlte sie.
    Glory erstarrte. An der Giebelwand des Dachbodens, weit entfernt von der Dachluke, waren die herausgerissenen Streifen Isoliermaterial zu einem Haufen aufgetürmt worden. Eine der Glasfasermatten war völlig zerfetzt, als hätte irgendein Tier sein Nest damit ausgepolstert.
    Aber das hier war kein Waschbär. Es war größer. Viel größer.
    Der Haufen bewegte sich nicht, doch es sah aus, als wäre etwas darunter versteckt. Hatte Hermann hier an irgendetwas gearbeitet, von dem sie nichts wusste?
    Mit der Machete zupfte Glory vorsichtig an einer der Matten, zog sie herunter und enthüllte ... nichts.
    Sie zog eine zweite Matte weg - und hielt abrupt inne, als plötzlich der behaarte Arm eines Mannes zum Vorschein kam.
    Glory kannte diesen Arm. Sie kannte auch die Hand an diesem Arm.
    Und konnte einfach nicht fassen, was sie da vor sich sah. Mit erhobener Machete zog sie ein weiteres Stück Isoliermatte weg.
    Es war sein Hemd. Eines der kurzärmeligen Hemden mit geknöpftem Kragen, die er so gerne trug, sogar im Winter. Hermann war ein eitler Mann und stolz auf seine behaarten Arme. Die Armbanduhr und der Ehering allerdings waren verschwunden.
    Glory starb fast vor Angst, trotzdem griff sie nach einer weiteren Matte, wodurch der größte Teil

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