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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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über ihren Unterkiefer in den Mund glitt.
     
    Freeburg, New York
     
    Es wurde Abend, als Eph mit Nora und Setrakian auf dem Cross Island Parkway nach Osten Richtung Nassau County fuhr.
    »Sie wollen mir also allen Ernstes erzählen, dass die toten Passagiere, nach denen die ganze Stadt sucht ... einfach nach Hause gegangen sind?«
    Der alte Professor saß auf dem Rücksitz, den Hut auf dem Schoß. »Wissen Sie, Dr. Goodweather, es stimmt: Blut ist dicker als Wasser. Wenn sie sich verwandelt haben, suchen die Vampire zunächst jene Verwandten auf, die noch nicht infiziert sind, kehren zu >ihren Lieben< zurück. So etwas wie der Instinkt, der einen immer wieder nach Hause führt, vermute ich. Der gleiche animalische Trieb, der Hunde, die sich verlaufen haben, über Hunderte von Meilen zurück zu ihren Besitzern führt. «
    »Sie kehren zu den Menschen zurück, die um sie trauern«, sagte Nora auf dem Beifahrersitz. »Nur um sie anzufallen und zu infizieren?«
    »Nun, vor allem treibt sie der Hunger. Sie wollen fressen, sich verstecken, ein Nest bauen.«
    Schweigend verließ Eph den Highway. Diese Vampirsache war das mentale Pendant zu einem ganz miserablen Essensein Verstand weigerte sich schlicht und einfach, es zu verdauen. Er kaute und kaute, bekam es aber nicht hinunter.
    Als Setrakian ihn gebeten hatte, sich einen Passagier von Flug 753 auszusuchen, war ihm als Erstes die Kleine in den Sinn gekommen, die im Flugzeug die Hand ihrer Mutter gehalten hatte. Sie hieß Emma Gilbarton und schien ein guter Test für Setrakians abenteuerliche Hypothese: Wie um alles in der Welt sollte ein zwölf jähriges totes Mädchen nachts aus einem Leichenschauhaus in Queens ausbrechen und den ganzen weiten Weg hinaus zu ihrer Familie nach Freeburg zurücklegen?
    Doch als Eph vor dem Anwesen der Gilbartons hielt, einem Haus in georgianischem Stil mit großem Garten, wurde ihm bewusst, dass sie, sollten sie sich irren, aus nichtigen Gründen einen Mann aufwecken würden, der gerade um seine Familie trauerte, um seine Frau, um sein einziges Kind.
    Setrakian stieg aus dem Explorer, den langen Stock in der Hand, der eindeutig nicht nur eine Gehhilfe war, und rückte seinen Hut zurecht. Um diese Uhrzeit war es völlig ruhig; hinter den Fenstern einiger Häuser brannte zwar noch Licht, doch niemand war unterwegs, und weit und breit war kein fahrendes Auto zu sehen.
    Die Fenster am Haus der Gilbartons waren ausnahmslos dunkel. Setrakian reichte Eph und Nora jeweils eine Schwarzlichtlampe. Sie ähnelten den CDC-Luma-Leuchten, waren allerdings weitaus schwerer.
    Mit dem Wolfskopf betätigte der alte Mann die Klingel.
    Als niemand öffnete, versuchte er die Türklinke, wobei er ausschließlich den Teil seiner Hand benutzte, der vom Handschuh bedeckt war; er schien sehr darauf bedacht, nur ja nichts mit den nackten Fingerkuppen zu berühren.
    Eph wurde bewusst, dass Setrakian so etwas nicht zum ersten Mal machte.
    Die Haustür war abgeschlossen. »Kommen Sie«, sagte Setrakian.
    Sie gingen um das Haus herum in den Garten, eine breite Lichtung am Rand eines alten Waldstücks. Der zunehmende Mond spendete einigermaßen Licht, genug jedenfalls, dass ihre Körper fahle Schatten auf das Gras warfen.
    Setrakian blieb stehen und deutete mit dem Gehstock auf den Kellerzugang, dessen Türflügel weit offen standen. Eine steinerne Treppe führte nach unten. Setrakian blickte zu den Bäumen, hielt nach irgendetwas Ausschau.
    »Wir können doch da nicht einfach so reingehen «, sagte Eph.
    »Nach Sonnenuntergang ist das tatsächlich äußerst unklug«, erwiderte Setrakian. »Aber wir können nicht länger warten.«
    »Nein, ich meine, hier geht es um unbefugtes Betreten fremden Eigentums. Wir sollten zuerst die Polizei verständigen.«
    Mit einem tadelnden Blick nahm Setrakian Eph die Lampe aus der Hand. »Was wir hier zu tun haben, würde die Polizei nicht verstehen.« Er schaltete die Lampe an. Zwei Birnen gaben ein violettes Licht ab - es war eine viel stärkere Lampe als jene, die Eph und Nora normalerweise im Dienst benutzten.
    »Schwarzlicht?«, fragte Eph.
    »Schwarzlicht ist nichts anderes als gewöhnliches Ultraviolettlicht: UV-A. Nützlich, aber harmlos. UV-B hat eine mittlere Wellenlänge und kann Sonnenbrand oder Hautkrebs verursachen. Die hier« - Setrakian achtete darauf, den Lichtstrahl sowohl von Nora und Eph als auch von sich selbst fernzuhalten - »geben kurzwelliges UV-C-Licht ab. Es ist keimtötend. Man benutzt es zur Sterilisation.

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