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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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des restlichen Materials zu Boden rutschte.
    Hermann, ihr toter Gatte, lag friedlich schlafend auf ihrem Dachboden. In einem Bett aus zerfetzten, rosafarbenen Glasfasermatten, vollständig bekleidet, aber über und über mit Schmutz bedeckt. Der Ehemann, von dem sie gedacht hatte, ihn endlich für immer los zu sein. Der Tyrann. Der Schläger. Der Vergewaltiger.
    Sie stand über seinem schlafenden Körper, die Machete erhoben, bereit, bei der geringsten Bewegung sofort zuzuschlagen.
    Schließlich senkte sie die Waffe.
Ein Geist!
Ja, Hermann war ein Geist. Von den Toten zurückgekehrt, ein furchtbares Wesen, das sie nun für alle Zeiten verfolgen würde. Sie würde niemals frei sein.
    Und während sie über all dies nachdachte, öffnete Hermann die Augen und starrte an die Decke.
    Glory blieb wie gelähmt stehen. Sie wollte weglaufen oder schreien - und konnte weder das eine noch das andere.
    Hermann drehte den Kopf ... bis sich sein starrer Blick auf sie richtete. Derselbe spöttische, höhnische Blick, mit dem er sie all die Jahre bedacht hatte. Der Blick, der stets schlimmen Dingen vorausging.
    Und dann machte etwas
Klick
in ihrem Kopf.
     
    Zur gleichen Zeit stand, vier Häuser weiter, die vierjährige Lucy Needham in der Einfahrt ihres Elternhauses und fütterte eine Puppe namens Baby Dear mit Käse-Crackern. Als sie die gedämpften Schreie und das harte, abgehackte Klatschen hörte, blickte sie auf. Sah zu ihrem Elternhaus hinüber, dann nach Norden und rümpfte mit einer Miene unschuldiger Verwirrung die kleine Nase. Bewegungslos stand sie da. Wie eine orangefarbene Zunge ragte ein halb aufgegessener, mit Käse überzogener Cracker aus ihrem offenen Mund, während sie den merkwürdigsten Geräuschen lauschte, die sie je gehört hatte. Das wollte sie unbedingt Daddy erzählen, wenn er mit Telefonieren fertig war. Doch bis dahin hatte sie die Tüte Cracker längst versehentlich ausgekippt, hockte in der Einfahrt und aß sie vom Asphalt. Und nachdem sie deshalb ausgeschimpft worden war, hatte sie die ganze Angelegenheit schon wieder vergessen.
    Keuchend stand Glory auf dem Dachboden und umklammerte mit bei den Händen die Machete. Hermann lag zerstückelt zwischen den rosa Glasfasermatten. Die Wand neben ihm war mit tropfendem weißem Zeug bespritzt.
    Weiß?
    Glory zitterte, ihr war speiübel. Sie begutachtete den Schaden, den sie angerichtet hatte. Zweimal war die Klinge im Holzbalken stecken geblieben, und in ihrer Fantasie hatte Hermann versucht, ihr die Machete zu entreißen. Mit aller Kraft hatte sie an der Waffe zerren müssen, um sie wieder freizubekommen und abermals in seinem Fleisch zu versenken.
    Sie wich einen Schritt zurück. Was hatte sie nur getan? Hermanns höhnisch grinsender Kopf war zwischen zwei Balken gerollt, wo er jetzt mit dem Gesicht nach unten lag; ein Büschel rosa Glasfasern klebte wie Zuckerwatte an seiner Wange. Der Rumpf war zerhackt, an den Schenkeln klafften tiefe Schnitte, und der Unterleib war mit weißem Schaum bedeckt.
    Weiß?
    Sie spürte, wie etwas auf ihre Hausschuhe tropfte,
tap-tap-tap.
Sie entdeckte Blut - rotes Blut -, begriff, dass sie sich am linken Arm irgendwie selbst verletzt haben musste, obwohl sie keinerlei Schmerz verspürte. Sie hob den Arm. Dicke rote Tropfen klatschten auf das Holz.
    Weiß?
    Ihr Knöchel unter dem blutverschmierten Hausschuh fing an zu jucken, und als das Kribbeln ihr Bein hochkroch, schlug sie mit der flachen Seite der klebrigen weißen Klinge auf ihren Schenkel.
    Ein weiteres Kitzeln an der Vorderseite des anderen Beines. Und an der Taille ... Bestimmt so etwas wie eine hysterische Reaktion, dachte sie. Sie bildete sich ein, dass sie von Ungeziefer attackiert wurde.
    Doch dann verspürte sie ein kribbelndes Gefühl in ihrem Schritt - und ein noch merkwürdigeres in ihrem Rektum. Und das war
keine
Einbildung! Ihr Schließmuskel weitete sich, und sie stand einen langen Augenblick da, wie gelähmt, bis das Gefühl nachließ. Sie entspannte sich wieder. Sie musste dringend auf die Toilette.
    Aber ein weiteres Zappeln lenkte sie ab, diesmal im Ärmel ihrer Bluse. Und ein brennendes Jucken über der Schnittwunde an ihrem Arm. Dann ließ sie ein reißender Schmerz, ein Schmerz tief in ihren Eingeweiden, zu Boden sinken. Während sie gequält aufschrie, fiel die Machete auf das Holz. Sie spürte, wie etwas ihren Arm hinaufraste -
unter
dem Fleisch,
unter
der kribbelnden Haut. Ihr Mund stand noch offen, als ein weiterer Wurm, der aus dem Nacken kam,

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