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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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die Straße und das wärmende Sonnenlicht erreicht. Als er in der Nähe auf einen Zaun stieß, stellte er fest, dass er sich außerhalb der Baustelle des World Trade Center befand. Mit seinem Zippo steckte er sich einen Zigarrenstumpen an, inhalierte gierig das süße Gift und verscheuchte damit die Angst, die er unter der Erde empfunden hatte.
    Dann, während er die Straße zur Baustelle überquerte, bemerkte er die handgemachten Flugblätter, die an den Zaun getackert waren. Farbfotos von zwei Maulwürfen waren darauf zu sehen, von denen einer einen Schutzhelm über dem schmutzigen Gesicht trug. Über den beiden Fotos stand:
    VERMISST.
     
    LETZTES ZWISCHENSPIEL
Die Ruinen
     
    In den Tagen nach dem Aufstand im Lager wurden die meisten Flüchtlinge aufgespürt und hingerichtet. Doch Abraham Setrakian gelang es, in den Wäldern zu überleben. Er blieb immer in Reichweite des Gestanks, der vom Lager herüberwehte, und aß Wurzeln und alle kleinen Tiere, die er mit seinen gebrochenen Händen fangen konnte. Er fand einige Leichen, die er um schmutzige Kleider und schäbige, nicht zueinander passende Schuhe erleichterte.
    Tagsüber war er damit beschäftigt, den Suchtrupps und den bellenden Hunden aus dem Weg zu gehen. Nachts erkundete er die Gegend.
    Im Lager hatte er Gerüchte über die römischen Ruinen gehört, die sich hier irgendwo befinden sollten. Er streifte etwa eine Woche umher - bis er schließlich im schummrigen Licht der Abenddämmerung auf den bemoosten Stufen der uralten Trümmer stand.
    Von außen sah man nur überwachsene Steine; der größte Teil der Ruinen befand sich unter der Erde. Oben auf dem Steinhügel ragte eine hohe Säule auf. Setrakian konnte Buchstaben darauf erkennen, doch sie waren schon so verwittert, dass man nichts mehr entziffern konnte.
    Es war unmöglich, am Eingang zu diesen Katakomben zu stehen und sich nicht zu fürchten.
    Dort unten - dessen war Setrakian sich sicher - befand sich Sardus Versteck.
    Er spürte, wie das brennende Loch in seiner Brust größer wurde. Doch er wusste, dass es sein Schicksal war, das Wesen aufzuspüren und zu töten. Sein Plan war vereitelt worden nachdem er über Wochen und Monate frische Eiche gesammelt und zurechtgeschnitzt hatte -, aber sein Bedürfnis nach Rache war nicht gemindert. Von allen Übeln der Welt war dies eines, das er vernichten konnte. Und jetzt stand er im Begriff, genau das zu tun.
    Mithilfe eines Felssplitters hatte er einen neuen, groben Pflock gefertigt und sich damit seine Hände endgültig ruiniert. Er hatte das härteste Holz ausgewählt, das er finden konnte, zwar keine echte Weißeiche, doch es müsste genügen.
    Der Eingang führte in eine steinerne Kammer, von der seine Schritte widerhallten. Die Decke war niedrig, was ihn angesichts der Riesenhaftigkeit des Wesens überraschte. Baumwurzeln hatten die Festigkeit der Steine geschwächt, die das Bauwerk zusammenhielten.
    Die erste Kammer führte in eine zweite und die in eine dritte. Jede Kammer war kleiner als die vorherige. Ob es noch mehr davon gab, konnte Setrakian im schwachen Licht des schwindenden Tages nicht erkennen.
    Er bewegte sich mit größter Vorsicht, sein Puls raste. Der derbe Holzpflock erschien ihm nun völlig unzureichend als Waffe für den Kampf mit der Bestie. Besonders angesichts seiner zerschlagenen Hände. Was tat er hier nur? Wie sollte er dieses Ungeheuer töten?
    Als er die dritte Kammer betrat, brannte die Angst sauer in seiner Kehle - ein Geschmack, der ihn von nun an für den Rest seines Lebens heimsuchen sollte. Der Raum war leer, doch in der Mitte erkannte Setrakians geübtes Handwerkerauge eine Konturlinie. Hier musste etwas Großes, Schweres gestanden haben. Etwa zweieinhalb auf eineinviertel Meter.
    Ein Sarg ...
    Plötzlich hörte er Schritte auf den steinernen Bodenplatten. Er wirbelte herum, den Holzpflock vor sich ausgestreckt.
    Das Ungeheuer war nach Hause gekommen, um sich in seinem Nest zu verkriechen - und ein Beutetier an seinem Schlafplatz vorzufinden ...
    Doch es war nicht das Ungeheuer. Es war ein Mann von durchschnittlicher Größe.
    Ein deutscher Offizier.
    Setrakian erkannte ihn wieder: Dieter Zimmer, ein junger Kerl, kaum älter als er selbst. Und ein widerlicher Sadist, der im Lager damit geprahlt hatte, dass er jeden Abend das verkrustete Blut der Gefangenen von seinen Stiefeln kratzen würde, bevor er sie polierte.
    Jetzt war seine Uniform beschmutzt und zerrissen. Und seine Augen ... seine Augen glühten vor Gier. Es

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