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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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unmöglich. Wie sollte das denn gehen?«
    »Könnte ja sein, dass sie einfach schlauer sind als wir.« Vasiliy blickte den beleuchteten Tunnel Richtung Pumpenschlauch hinunter. »Ist der U-Bahn-Ausgang da unten?« »Jep, da geht's raus.«
    Vasiliy deutete in die entgegengesetzte Richtung. »Und wohin geht's da?«
    »Das schlag dir besser aus dem Kopf.« »Warum, was ist da?«
    »Hör zu, vergiss die Ratten. Komm mit uns. Wir sind hier unten fertig.«
    Noch immer sickerte Wasser in den trogartigen Tümpel. »Ich komme gleich nach«, sagte Vasiliy.
    Der Maulwurf sah ihn ausdruckslos an. »Wie du meinst.« Er schaltete eine der Lampen aus, wuchtete sich seinen Rucksack auf den Rücken und folgte den anderen.
    Vasiliy sah ihnen hinterher. Ihre Lichter tanzten den Tunnel hinunter, verschwanden langsam an einer sanft geschwungenen Biegung. Dann hörte er das beunruhigend nahe Kreischen einer U-Bahn. Er ging zu dem Gleis hinüber, wartete, bis sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Dann aktivierte er das Nachtsichtgerät. Die Welt wurde erneut in ein unwirkliches Grün getaucht.
    Das Geräusch seiner Schritte veränderte sich, als der Tunnel sich zu einem mit Abfall übersäten Weichen bereich in der Nähe mehrerer zusammenlaufender Gleisstränge weitete. Vernietete Stahlträger standen in regelmäßigen Abständen wie Säulen in einem Industriepark. Rechts von Vasiliy tauchte ein verlassener Wartungsschuppen auf. Auf den zerbröckelnden Backsteinwänden war eine Graffiti-Darstellung der brennenden Zwillingstürme zu sehen. Der eine war mit SADDAM, der andere mit GOMORRAH beschriftet.
    Vasiliy beschloss, das Schwarzlicht einzusetzen. Er nahm den kleinen Leuchtstab aus seiner Tasche und schaltete ihn ein. Die Birne glühte kalt und blau. Nagetierurin fluoresziert aufgrund der darin enthaltenen Bakterien im Schwarzlicht. Er strich damit über den Boden in der Nähe der Stützpfeiler: eine Mondlandschaft aus eingetrocknetem Dreck und Abfällen. Er bemerkte einige kleine, uralte Flecken, aber keine frischen Spuren, bis er das Licht in die Nähe eines verrosteten, umgekippten Ölfasses hielt. Um das Fass herum war ein riesiger leuchtender Fleck. Eine gewaltige Lache. Wenn Vasiliy von der Menge ausging, die er normalerweise fand, dann war das Vieh, das sich hier erleichtert hatte, mindestens zwei Meter groß.
    Es musste sich also um relativ frische Körperausscheidungen eines größeren Tieres handeln - möglicherweise sogar um die eines Menschen.
    Das Tröpfeln des Wassers über den alten Gleisen hallte durch die windigen Tunnel. Er hörte ein Rascheln, spürte eine Bewegung in der Ferne. Schnell steckte er das Schwarzlicht wieder ein und suchte die Gegend mit dem Nachtsichtgerät ab.
    Hinter einem der Stahlträger bemerkte er erneut ein glänzendes Augenpaar, das ihn anstarrte - und dann verschwand.
    Diesmal rief er keinen Gruß, ja gab überhaupt keinen Laut von sich, sondern umklammerte nur die Stahlstange etwas fester. Obdachlose waren, wenn man ihnen denn überhaupt begegnete, nur sehr selten angriffslustig. Doch das hier war kein Obdachloser, das sagte ihm sein sechster Sinn. Mit einem Mal fühlte sich Vasiliy schwer unterlegen.
    Bevor er sich wieder auf den Weg machte, griff er in seine Tasche, öffnete einen Karton Rattengift und verstreute es um sich herum. Es war ein Kontaktgift, das langsamer, aber dafür zuverlässiger wirkte als fressbare Köder. Außerdem bot es den Vorteil, dass man Spuren darin sehen konnte, was die anschließende Verfolgung der Ratten bis zu ihrem Nest erheblich vereinfachte.
    In aller Eile leerte er drei Kartons aus, dann ging er den gleichen Weg durch die Tunnel zurück, auf dem er gekommen war. Wieder stieß er auf die aktive Gleisanlage, erreichte die Drainagepumpe und folgte von dort aus dem langen Schlauch.
    Plötzlich spürte er, wie sich der Wind im Tunnel drehte, und als er sich umsah, bemerkte er einen Lichtschein, der hinter der Biegung auftauchte und schnell größer wurde. Sofort trat er in eine Wandnische und bereitete sich auf den ohrenbetäubenden Lärm vor. Der Zug kreischte vorbei, und Vasiliy sah flüchtig die Pendler hinter den Fenstern, bevor er seine Augen in Anbetracht des rauch artigen Wirbels aus Dreck und Staub schloss.
    Als der Zug vorübergefahren war, folgte er dem Gleis, bis er zur nächsten Station kam. Er kletterte auf den fast menschenleeren Bahnsteig, ging die Treppe zum Zwischengeschoss hoch, weiter durch das Drehkreuz und hatte bald wieder

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