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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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wurden, und er verbrachte eine nicht unerhebliche Zeit damit, dorthin zu gelangen - nur um festzustellen, dass sie verlassen war. Nicht aufgegeben, einfach nur verlassen. Er wühlte sich durch die Werkzeuge, suchte nach irgendetwas, womit er sich von den Handschellen befreien konnte, versuchte es sogar mit einer elektrischen Stichsäge, wobei er sich um ein Haar die Handgelenke aufgeschnitten hätte. Schließlich zog er verärgert von dannen.
    Auf der Straße war kaum etwas los. Gus wusste, was hier passieren würde. Die Sonne ging unter, die Zeit wurde knapp.
    Es war ziemlich riskant, nach Hause zurückzukehren, aber er hatte den ganzen Tag über kaum Bullen gesehen und machte sich große Sorgen um seine
madre.
Vorsichtig schlich er sich ins Haus, versuchte, dabei so unauffällig wie möglich zu wirken, und nahm die acht Stockwerke in Angriff. Oben angekommen, durchquerte er den Flur. Niemand zu sehen. Er horchte an der Wohnungstür. Wie immer lief der Fernseher.
    Da die Klingel nicht funktionierte, klopfte er und trat so fest gegen die Metallplatte unten an der Tür, dass diese erzitterte und die billigen Wände wackelten. »Crispin.« Wo war nur dieser Drecksack von Bruder? »Crispin, du Arschloch! Mach die Scheißtür auf.«
    Gus hörte, wie die Kette abgenommen und der Bolzen zurückgeschoben wurde, doch die Tür blieb geschlossen. Er wickelte die Hände aus dem Hemd und drehte am Knauf.
    Crispin stand in der Ecke neben dem Sofa, auf dem er schlief, wenn er zu Besuch war. Die Vorhänge waren ausnahmslos zugezogen, und die Kühlschranktür in der Küche stand offen.
    »Wo ist Mama?«
    Crispin antwortete nicht.
    »Bescheuerter Junkie.« Gus schloss den Kühlschrank. Die Lebensmittel darin waren aufgetaut, und der Fußboden stand unter Wasser. »Ist sie im Schlafzimmer?«
    Crispin antwortete nicht, starrte einfach nur vor sich hin. Langsam dämmerte es Gus. Er sah sich Crispin genauer an, sah die schwarzen Augen, den abwesenden Gesichtsausdruck.
    Gus trat ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. Es war Nacht geworden. Rauch lag in der Luft. Irgendwo da unten brannte es.
    Dann, als er sich wieder zu Crispin umdrehte, stürzte dieser wie ein Wolf heulend auf ihn zu. Gus konnte gerade noch die Arme hochreißen und sie unterhalb des Kinns gegen den Hals seines Bruders rammen, damit er den Scheißstachel nicht ausfahren konnte.
    Mit bei den Händen umklammerte er Crispins Hinterkopf und zwang ihn zu Boden. Die Augen seines Vampirbruders traten aus den Höhlen, und der Unterkiefer zuckte, als er versuchte, den Mund zu öffnen. Gus hielt ihn im Würgegriff, wollte ihn erdrosseln, aber nachdem einige Zeit vergangen war und Crispin immer noch um sich trat und nicht ohnmächtig werden wollte, fiel ihm ein, dass Vampire nicht zu atmen brauchten und man sie daher auch nicht erwürgen konnte.
    Also zog er ihn am Hals hoch. Die letzten Jahre war Crispin nichts weiter als ein Klotz am Bein seiner Mutter gewesen und Gus mächtig auf die Nerven gegangen. Jetzt war er ein Vampir - der Bruder war verschwunden, das Arschloch aber immer noch da. Und so waren es auch Rachegelüste, die Gus dazu trieben, Crispin mit dem Kopf voran in einen Spiegel an der Wand zu stoßen. Dann zwang er ihn in die Knie, warf ihn auf den Teppich und griff sich die größte Glasscherbe, die er finden konnte. Crispin hatte sich kaum wieder aufgerappelt, als Gus ihm die Spitze ins Genick rammte. Sie durchtrennte die Wirbelsäule und spannte die Haut am Hals, ohne sie aufzureißen. Gus bewegte die Scherbe hin und her, achtete jedoch nicht auf die scharfen Kanten und schnitt sich in die Handballen. Ein stechender Schmerz - aber Gus hörte nicht eher auf, bis er seinem Bruder den Kopf vom Rumpf gesäbelt hatte.
    Er taumelte zurück und sah auf die blutigen Schnitte in seinen Handflächen. Er durfte auf keinen Fall zulassen, dass die Würmer, die sich aus Crispins weißem Blut schlängelten, in seinen Körper drangen. Sie waren auf dem Teppich kaum zu erkennen, also hielt er ausreichend Abstand. Er blickte auf seinen zerstückelten Bruder herab, und ihm wurde leicht übel angesichts der Schweinerei, die er angerichtet hatte. Sonst empfand er nichts. Sein Bruder war für ihn schon lange tot gewesen.
    Er wusch sich in der Küche die Hände. Die Schnitte waren lang, aber nicht tief. Er benutzte ein Geschirrtuch, um die Blutung zu stoppen, dann ging er ins Schlafzimmer seiner Mutter.
    »Mama?«
    Seine einzige Hoffnung war, dass sie nicht zu Hause war.
    Ihr Bett war

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