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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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leer und gemacht. Er wollte gerade wieder gehen, da überlegte er es sich noch einmal und sah unter dem Bett nach. Nichts. Nur die Schachteln mit ihren Pullovern und die Hanteln, die sie sich vor zehn Jahren gekauft hatte.
    Auf dem Weg zurück in die Küche hörte er vom Schrank her ein Rascheln. Er hielt inne und lauschte konzentriert, dann ging er zur Schranktür und zog sie auf. Sämtliche Kleider seiner Mutter waren von der Stange gerissen und lagen in einem Haufen auf dem Boden.
    Und der Haufen bewegte sich. Als Gus ein altes gelbes Kleid mit Schulterpolstern zur Seite zog, glotzte ihn das bleiche, schwarzäugige Gesicht seiner
madre
an.
    Langsam schloss er die Schranktür. Ihm war zum Heulen zumute, aber es kamen keine Tränen. Nur ein Seufzen löste sich aus seiner Kehle, ein leises, tiefes Wimmern. Dann wandte er sich ab und suchte im Schlafzimmer nach einer Waffe, mit der er seiner Mutter den Kopf abtrennen konnte ...
    ... und begriff mit einem Mal, was aus der Welt geworden war. Er ging wieder zur Schranktür und lehnte seine Stirn dagegen.
    »Es tut mir so leid, Mama«, flüsterte er.
»La sienta.
Ich hätte hier sein sollen. Ich hätte hier bei dir sein sollen ... «
    Benommen ging er in sein eigenes Zimmer. Wegen der verdammten Handschellen konnte er nicht einmal das Hemd wechseln. Er stopfte ein paar Klamotten in eine Papiertüte und klemmte sie sich unter den Arm.
    Plötzlich erinnerte er sich an den alten Mann. Das Pfandhaus in der 118th Street. Er würde ihm seine Hilfe anbieten. Gemeinsam mit ihm gegen diese Kreaturen kämpfen ...
    Er verließ die Wohnung und trat hinaus auf den Flur.
    Am Ende des Korridors vor dem Fahrstuhl standen einige Leute. Gus senkte den Kopf, als er auf sie zuging - er wollte auf keinen Fall von irgendwelchen Nachbarn erkannt werden.
    Da fiel ihm auf, dass sie weder redeten noch sich bewegten. Die drei hatten sich ihm zugewandt. Er blieb abrupt stehen, als er ihre dunklen, hohlen Augen sah. Vampire.
    Und dann drosch er auch schon mit seinen gefesselten Händen auf sie ein, schleuderte sie gegen die Wände, zerschmetterte ihre Gesichter, trat auf sie ein, sobald sie am Boden lagen. Keiner von ihnen hatte die Chance, seinen Stachel auszufahren. Er zertrümmerte ihre Schädel unter den Absätzen seiner schweren Stiefel, dann rannte er zum Fahrstuhl, dessen Türen sich hinter ihm schlossen.
    Im Aufzug atmete er tief durch und zählte die Stockwerke.
    Die Papiertüte war beim Kampf aufgerissen, seine Klamotten lagen nun oben im Flur verstreut. Na, wenn's sonst nichts war ...
    Er erreichte das Erdgeschoss, und als die Fahrstuhltüren mit einem
Ping
aufglitten, stand er kampfbereit da.
    Die Eingangshalle war leer. Draußen flackerte gelb-orangenes Licht, und man hörte Schreie und wildes Heulen. Gus ging hinaus auf die Straße, sah die Flammen, die bereits auf die Nachbarhäuser übergriffen, und die Menschen, die mit Holzbohlen und anderen improvisierten Waffen in den Händen die Straße hinunter auf das Feuer zuliefen.
    In der anderen Richtung sah er ganz in der Nähe eine Gruppe von sechs Personen. Plötzlich rannte ein einzelner Mann an Gus vorbei. »Überall nur Irre, Mann! «, rief er noch. Sofort fiel die Sechsergruppe über ihn her. Für ungeübte Augen war es ein stinknormaler Straßenraub, doch Gus sah im orangefarbenen Licht der Flammen einen Stachel aus einem Mund schießen. Die Vampire griffen bereits auf offener Straße an.
    Während er die gespenstische Szene beobachtete, kam ein schwarzer Geländewagen mit grellen Halogenscheinwerfern in hohem Tempo aus dem Rauch geschossen. Die Bullen! Gus drehte sich um, rannte im Scheinwerferlicht seinem eigenen Schatten hinterher - und der Sechsergruppe direkt in die Arme. Ohne zu zögern gingen sie auf ihn los. Ihre schwarzen Augen und bleichen Gesichter wurden von den Scheinwerfern hell erleuchtet. Gus stürmte auf die fauchenden Vampire zu, schwang die Fäuste, wollte ihnen keine Chance geben, den Mund zu öffnen. Einer von ihnen hakte den Arm in Gus' Handschellen, wirbelte ihn herum und riss ihn zu Boden. Sekunden später war die Herde über ihm und kämpfte darum, wer ihn aussaugen durfte.
    Wapp!
Einer der Vampire stieß einen quiekenden Laut aus.
Klatsch!
Der Kopf eines weiteren löste sich in Luft auf. Und der, der direkt auf ihm hockte, wurde plötzlich zur Seite geschleudert. Gus rollte blitzschnell herum und rappelte sich auf.
    Das waren nicht die Bullen, die da aus dem Geländewagen ausgestiegen waren, sondern Männer

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