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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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stehen. Betrachtete sein Haus, versuchte es sich ohne sich selbst darin vorzustellen. Ansel hatte die Kinder heute weinen sehen, und er hatte mit ihnen geweint. Seine Familie brauchte ihn, mehr als alles andere.
    Ein jäher, stechender Schmerz in seinem Hals ließ ihn zusammenzucken. Er musste sich an der Schuppenwand festhalten, um nicht umzufallen, und für einen Augenblick stand er gekrümmt und zitternd da, ertrug den Schmerz, bis er abebbte und ein dröhnendes Rauschen in einem Ohr zurückblieb. Mit den Fingerspitzen berührte er seinen Hals selbst das schmerzte unerträglich. Erneut versuchte er, den Hals zu strecken, seine Beweglichkeit wiederherzustellen, indem er den Kopf so weit wie möglich zurücklegte und zum Nachthimmel aufblickte. Positionslichter von Flugzeugen. Sterne.
    Ich habe es überlebt,
dachte er.
Das Schlimmste habe ich hinter mir. Und das hier wird auch bald aufhören.
    In dieser Nacht hatte er einen entsetzlichen Traum. Seine Kinder wurden von einem tobenden Ungeheuer durch das Haus gejagt, und als Ansel los lief, um sie zu retten, bemerkte er, dass er selbst Klauen statt Hände hatte ... Er fuhr erschrocken auf. Seine Hälfte des Bettes war völlig durchgeschwitzt. Er schlug die Decke zurück, um ...
    KNACK.
    Ohren, Kiefer und Hals schienen durch den Schmerz zu einer Einheit zu verschmelzen. Er drehte den Kopf um einen Millimeter.
    KNACK.
    Und dann dieser Durst! Stärker als jedes andere Gefühl, das er je verspürt hatte - so schien es ihm zumindest.
    Als er sich wieder einigermaßen bewegen konnte, ging er über den Flur in die dunkle Küche, öffnete den Kühlschrank und schenkte sich ein Glas Limonade ein. Dann noch eines, und noch eines ... und dann trank er direkt aus der Flasche. Dieser Durst war unstillbar. Und warum schwitzte er eigentlich so sehr?
    Die Flecken auf seinem Nachthemd rochen stark nach Moschus und hatten einen bernsteinfarbenen Ton. Es war so heiß hier ...
    Als er die Flasche in den Kühlschrank zurückstellte, entdeckte er dort einen Teller mit mariniertem Fleisch. Er betrachtete die Blutfäden, die sich träge mit Öl und Essig mischten, und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Nicht bei dem Gedanken daran, das Fleisch auf den Grill zu legen - sondern es so zu essen, es zu zerfetzen und auszusaugen. Das Blut zu trinken ...
    KNACK.
    Er ging in den Flur zurück und sah leise zu den Kindern hinein. Benjy lag zusammengerollt unter der Scooby-Doo-Decke; Haily schnarchte leise, und ihr Arm baumelte von der Matratze herunter, sie tastete im Schlaf nach den Bilderbüchern, die auf den Boden gefallen waren. Beim Anblick seiner Kinder entspannte sich Ansel etwas, kam wieder zu Atem. Er schloss die Tür zu ihrem Zimmer und trat in den Garten hinaus. Die Nachtluft kühlte den Schweiß auf seiner Haut. Allein die Tatsache, wieder zu Hause bei seiner Familie zu sein, würde ihn von allen Krankheiten heilen, davon war er fest überzeugt. Sie würden ihm helfen.
    Sie würden sich um ihn kümmern.
     
    Gerichtsmedizin, Manhattan
     
    Kein Blutspritzer war an dem forensischen Pathologen zu entdecken, der Eph und Nora empfing. Allein das war schon ungewöhnlich. Normalerweise troff es die wasserdichten Kittel nur so herunter und reichte bis zu den Ellbogen. Doch nicht hier. Dieser Gerichtsmediziner hätte ebenso gut ein Gynäkologe aus Beverly Hills sein können.
    Er stellte sich als Gossett Bennett vor. Ein braunhäutiger Mann mit noch brauneren Augen und einem entschlossenen Gesicht hinter der Plastikmaske. »Wir fangen gerade an«, sagte er und deutete auf die Tische. Im Obduktionssaal war es wie üblich ziemlich laut. Während es im OP-Raum steril und ruhig zugeht, herrscht in der Autopsie das genaue Gegenteil: jaulende Sägen, rauschendes Wasser, laut diktierende Ärzte. »Wir haben acht von Ihren Toten hier.«
    Die Leichen lagen auf Seziertischen - glänzender Edelstahl mit Ablaufrinnen - und befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Autopsie. Zwei von ihnen waren bereits komplett »ausgeweidet«: Die Brusthöhle war geöffnet, und die entnommenen Organe lagen in einem Plastikbeutel auf ihren Schienbeinen. Ihre Hälse waren freigelegt und die Zungen durch die Öffnungen herausgezogen worden. Die Gesichtshaut hatte man wie eine Latexmaske nach unten geschoben und anschließend die Schädeldecken mit einer Kreissäge geöffnet. Eben wurde ein Gehirn vom Rückenmark getrennt und zum Aushärten in eine Formalinlösung gelegt; ein Assistent stand mit einer langen,

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