Die Saat
frei herumlaufender fetter nackter Kerl konnte ja nicht allzu schwer zu finden sein.
Die Leute auf den Bürgersteigen wirkten nicht aufgebracht. Ein Typ, der vor einer Bar eine Zigarette rauchte, sah den langsam vorbeirollenden Streifenwagen, trat vor und deutete weiter die Straße hinauf.
In diesem Moment erreichten zwei weitere Notrufe die Zentrale, beide wegen eines nackten Mannes, der vor dem Gebäude der Vereinten Nationen herumlief. Officer Karn trat aufs Gas, um die Sache schnell hinter sich zu bringen. Er rauschte an den von Scheinwerfern angestrahlten Flaggen der UN-Mitgliedsstaaten vorbei zum Besuchereingang an der Nordseite. Überall waren blaue NYPD-Absperrungen und Betonbläcke, die die Autos von Attentätern abhalten sollten.
Karn hielt vor zwei gelangweilten Cops, die in der Nähe der Absperrungen herumstanden. »Gentlemen, ich bin auf der Suche nach einem fetten nackten Mann! «
Einer der beiden zuckte mit den Achseln. »Na, da könnte ich dir ein paar Telefonnummern geben ... «
Mit einer Limousine fuhr Gabriel Bolivar in sein Heim in Manhattan, das er gerade erst erworben hatte, zwei miteinander verbundene Häuser an der Vestry Street in Tribeca. Die aufwendigen Sanierungsarbeiten waren noch nicht vollständig abgeschlossen, doch nach Fertigstellung würde sein Domizil einunddreißig Zimmer umfassen, einschließlich eines von Mosaiken eingerahmten Swimmingpools, Unterkünften für das sechzehnköpfige Personal, eines Tonstudios im Keller sowie eines Kinos mit dreißig Sitzplätzen.
Bislang war lediglich das Penthouse komplett renoviert und möbliert; die Arbeiten waren während Bolivars Europatour mit Hochdruck vorangetrieben worden. Die Zimmer in den unteren Etagen waren nur zum Teil verputzt, die Wände immer noch hinter Plastikfolie und Dämmmaterial verborgen. Sägemehl und Staub hatten sich auf alle Oberflächen gelegt, waren in jede Spalte gedrungen. Bolivars Finanzberater hatte ihn zwar über die Fortschritte auf dem Laufenden gehalten, doch der Musiker interessierte sich nicht für den
Weg,
sondern nur für das
Ziel:
seinen zukünftigen Palast.
Die
Jesus-Wept-
Tour war mit einem leichten Dämpfer zu Ende gegangen. Die Organisatoren hatten sich ohnehin schwer ins Zeug legen müssen, damit Bolivar wahrheitsgemäß behaupten konnte, überall vor ausverkauften Hallen gespielt zu haben. Und dann war die eigens für die Tour gecharterte Maschine in Deutschland ausgefallen, und anstatt mit den anderen die Reparatur abzuwarten, hatte sich Bolivar entschieden, einen Linienflug zu nehmen. Schwerer Fehler! Er litt immer noch unter den Nachwirkungen, ja es schien sogar schlimmer zu werden.
Mit seinen Bodyguards und drei jungen Damen aus dem Club im Schlepptau betrat er die Eingangshalle. Einige seiner Kostbarkeiten waren bereits hergebracht worden, darunter zwei schwarze Marmorpanther kurz vor dem Sprung, die zu bei den Seiten das Foyer flankierten, zwei blaue Industriemülltonnen, die angeblich dem legendären Serienkiller Jeffrey Dahmer gehört hatten, sowie mehrere Gemälde:
Mark Ryden, Robert Williams, Chet Zar. Großer, teurer Krempel. Ein provisorisch an der Wand angebrachter Schalter aktivierte eine lange Reihe Baustellenlampen, die eine marmorne Treppe hinauflief, auf einen riesigen, weinenden Engel zu, der, so hieß es jedenfalls, während des Ceaucescu-Regimes aus einer rumänischen Kirche »geborgen« worden war.
»Wow, wunderschön«, sagte eines der Mädchen, als sie zu den im Schatten liegenden Gesichtszügen des Engels aufsah.
Auf der Treppe geriet Bolivar ins Stolpern. Ein jäher Schmerz in seinen Eingeweiden, mehr als nur ein Krampf es fühlte sich eher an wie ein Fausthieb. Als er einen Flügel des Engels umklammerte, um nicht umzufallen, wurde er sofort von seinen Begleitern gestützt.
Was war da los? Hatte ihm im Club jemand was in den Drink getan? Wäre weiß Gott nicht das erste Mal. Es war schon vorgekommen, dass ihn irgendwelche Mädels unter Drogen gesetzt hatten - nur um dem wirklichen Gabriel Bolivar, dem Mann unter dem Make-up, näherzukommen. Mit einer unwirschen Handbewegung schickte er die Bodyguards fort und versuchte, trotz der Schmerzen einigermaßen aufrecht zu stehen. Seinen versilberten Gehstock benutzte er dazu, die Mädchen die Marmortreppe hinauf zum Penthouse zu scheuchen.
Oben angekommen, ließ er sie weitere Drinks mixen, schloss sich im großen Badezimmer ein und kramte seinen Vicodin-Vorrat heraus. Er verschrieb sich zwei hübsche weiße Pillen
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