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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Gegenteil: irgendetwas zwischen sexuellem Verlangen und Hunger. Und den Drang, zu verletzen, zu verzehren, zu schänden.
    Mindy küsste seinen Hals. Er wandte sich ihr zu, drückte sie auf das Laken und ließ seine Finger über ihre zarte Kehle gleiten. Spürte die Muskeln darunter -
begehrte
sie. Mehr als ihre Brüste, ihren Hintern, ihre Muschi. Es war, als wäre sie die Ursache der seltsamen Stimmen, die ihn verfolgten.
    Er legte den Mund an ihre Kehle und küsste sie, doch das reichte ihm nicht. Er knabberte an ihrem Hals. Sein Instinkt schien ihn in die richtige Richtung zu lenken, aber die Methode - irgendetwas daran war noch völlig falsch.
    Er wollte ... mehr.
    Das Pochen ließ inzwischen seinen ganzen Körper vibrieren; seine Haut kam ihm wie das Fell einer Trommel vor, die man bei zeremoniellen Anlässen schlägt. Das Bett drehte sich leicht, so schien es ihm jedenfalls, und seine Brust verkrampfte sich vor Begierde und gleichzeitigem Ekel. Für einen Augenblick verlor er die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, hörte er das Kreischen einer Frau. Er hielt Mindys Hals zwischen den Händen und saugte ihr Blut heraus, während sie schrie, und die bei den anderen Mädchen versuchten, sie von ihm fortzuzerren.
    Bolivar richtete sich auf, im ersten Moment bestürzt über den Anblick des leuchtend roten Flecks an ihrem Hals - doch dann erinnerte er sich daran, wer hier der Herr im Haus war.
    »Raus!«, rief er. Die Mädchen gehorchten. Schnappten sich ihre Kleidungsstücke und verdufteten. Mindys Wimmern war den ganzen Weg die Treppe hinunter zu hören.
    Taumelnd stieg Bolivar aus dem Bett und ging wieder ins Bad, wo er sich auf einen Lederhocker fallen ließ, um seine allabendliche Routine zu erledigen. Doch als er sich abgeschminkt hatte, stellte er verwundert fest, dass er genauso aussah wie vorher. Er rieb sich übers Gesicht, kratzte mit den Fingernägeln über die Wangen, aber die Schminke war längst verschwunden. Hatte sich das Zeug inzwischen mit seiner Haut verbunden? Oder war er wirklich krank?
    Er riss sich das Hemd herunter und betrachtete seinen Oberkörper: Die Haut war weiß wie Marmor, überzogen von grünlichen Adern, gesprenkelt mit purpurfarbenen Hämatomen.
    Vorsichtig nahm er die Kontaktlinsen heraus und legte sie in den Behälter. Er blinzelte einige Male, wischte mit den Fingern über die Lider ... und spürte etwas Seltsames. Er beugte sich zum Spiegel vor. Die Iris war tiefschwarz. Ganz so, als hätte er die Linsen noch drin. Nur wirkten seine Augen nun irgendwie strukturierter -
wirklicher.
Und da war noch etwas anderes. Er riss die Augen weit auf, als hätte er Angst davor, sie je wieder zu schließen.
    Unter seinem Augenlid hatte sich eine Membran gebildet, ein transparentes zweites Lid. Horizontal glitt es über den Augapfel und die schwarzen Pupillen, die ihn im Spiegel entsetzt anstarrten.
    Augustin »Gus« Elizalde hatte den Filzhut auf den Platz neben sich gelegt und saß lässig im hinteren Teil eines Lokals, einer kleinen Imbissbude einen Block östlich vom Times Square. Neon-Hamburger schimmerten im Schaufenster, auf den Tischen lagen rot-weiß-karierte Tischtücher. Billig essen in Manhattan. Man bestellte vorn an der Theke - Sandwiches, Pizza oder etwas vom Grill -, bezahlte und setzte sich damit hinten in einen fensterlosen Raum. An den Wänden Venedig samt Gondeln. Felix schlang gerade einen Teller klebriger Makkaroni mit Käse hinunter; er aß hier nie etwas anderes, immer nur Makkaroni mit Käse. Gus betrachtete seinen halb aufgegessenen Burger. Im Augenblick waren ihm das Koffein und der Zucker in seiner Cola weitaus wichtiger - er musste wieder in Schwung kommen.
    Er hatte immer noch ein komisches Gefühl in der Magengegend, wenn er an den Van dachte. Unter dem Tisch überprüfte er das Innenband seines Huts, in dem die Dollarscheine steckten, die ihm der Auftrag eingebracht hatte, fünfhundertfünfzig Mäuse. Mit der einen Hälfe würden er und Felix ordentlich die Sau rauslassen. Die andere würde er seiner
madre
geben. Die konnte das Geld gut brauchen.
    Das Problem war nur, dass Gus Gus war. Das Problem war, bei der Hälfte auch wirklich
aufzuhören.
Das Problem war, mit Geld durch die Gegend zu rennen und es
nicht
auszugeben.
    Er sollte sich von Felix nach Hause fahren lassen, jetzt sofort, um seiner
madre
die Hälfte zuzustecken, ohne dass Crispin, dieser Drecksack von Bruder, etwas davon mitbekam; der verdammte Junkie hatte das unglaubliche Talent, jeden Dollar

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