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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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sofort aufzuspüren.
    Aber ... das hier war schmutziges Geld. Er hatte etwas Übles getan, um es zu bekommen - obwohl er nicht genau wusste, was -, und wenn er es nun seiner
madre
gab, war das so, als würde er einen Fluch weiterreichen. Am besten also, er gab es so schnell wie nur möglich aus, schaffte es sich vom Hals - wie gewonnen, so zerronnen.
    Gus war hin- und hergerissen. Wenn er erst mal anfing zu trinken, würde er jegliche Kontrolle über sich verlieren. Und Felix war in dieser Hinsicht ähnlich. Zu zweit würden sie die fünfhundertfünfzig Dollar durchbringen, noch bevor die Sonne aufgegangen war. Und alles, was er seiner Mutter dann noch mitbringen konnte, würden ein mordsmäßiger Kater, ein verbeulter Hut und leere Hosentaschen sein.
    »Was denkst du, Gusto?«, fragte Felix mampfend.
    Gus schüttelte den Kopf. »Weißt du,
'mano,
ich bin wie ein Scheißköter, der auf der Straße rumschnüffelt und sich keine Gedanken macht, was morgen sein wird. Ich hab 'ne dunkle Seite,
amigo,
und manchmal übernimmt die das Kommando. «
    Felix schlürfte Cola aus seinem riesigen Becher. »Was machen wir dann noch in dieser beschissenen Spelunke? Zischen wir ab und lernen ein paar nette junge Ladies kennen.«
    Gus ließ seinen Daumen wieder über das Hutband gleiten.
    Felix wusste nichts von dem Geld - noch nicht. Was, wenn er nur einen Hunderter ausgab? Oder zweihundert, also hundert für jeden? Ja, das war das Limit, kein Cent mehr. »Geld regiert die Welt,
'mano.
Hab' ich Recht?«
    »Scheiße, ja.«
    Gus sah sich um. Am Nebentisch machte sich eine offenbar fürs Theater aufgetakelte Familie zum Gehen fertig, obwohl sie ihre Desserts noch nicht aufgegessen hatte. Lag wohl an Felix' Ausdrucksweise, vermutete Gus. Verdammte Hinterwäldler! Haben wohl noch nie jemanden Klartext reden hören. Tja, leckt mich! Wenn ihr in unsere Stadt kommt und mit euren Kids nach neun Uhr abends noch unterwegs seid, dann riskiert ihr eben auch das volle Programm.
    Felix hatte endlich ausgetrunken. Gus setzte seinen Hut den Hut voller Cash - auf, Felix steckte sich eine Zigarette an, und sie schlenderten in die Nacht hinaus, die 44th Street hinunter. Plötzlich hörten sie Schreie, was für Midtown Manhattan allerdings nichts Ungewöhnliches war. Doch dann bemerkten sie den fetten nackten Kerl, der Ecke 7th und Broadway über die Straße schlurfte.
    Um ein Haar hätte Felix seine Kippe auf den Boden gespuckt, so sehr musste er lachen. »Schau dir den mal an, Gusto.« Er lief los, als wolle er bloß nichts verpassen.
    Gus sah keinen Anlass zur Hektik. Gemächlich folgte er seinem Kumpel.
    Die Leute am Times Square wichen dem Mann und seinem käsigen, schlaffen Hintern so gut es ging aus. Die Frauen kreischten, lachten, hielten sich die Hände vor Augen oder Mund oder beides zugleich. Eine Gruppe junger Mädels, die offenbar Junggesellinnenabschied feierte, schoss Fotos mit ihren Handys. Wann immer der Typ sich umdrehte, bekamen neue Leute seine verschrumpelten, unter Fleischbergen hervorlugenden Eier zu sehen.
    Wo
bleiben nur die Cops?,
fragte sich Gus. Tja, so war das eben in Amerika: Ein schwarzer Bruder konnte sich nicht mal zum Pinkeln in einen Hauseingang verziehen, ohne gleich Stress zu kriegen, aber ein Weißer konnte in aller Seelenruhe völlig nackt über den Times Square latschen und kam ungeschoren davon.
    »Der ist ja voll drauf«, johlte Felix und folgte dem Kerl gemeinsam mit einer Reihe anderer Passanten, von denen etliche selbst betrunken waren. Die Lichter der hellsten Kreuzung der Welt - die grelle Reklame, die Textlaufbänder und der nie endende Verkehr machten aus dem Times Square einen riesigen Flipperautomaten - blendeten den Dicken so sehr, dass er sich immer wieder um die eigene Achse drehte und wie ein entlaufener Tanzbär durch die Gegend stolperte, wobei er sich regelmäßig mit einer Hand an den Hals griff, als bekäme er keine Luft.
    Sobald der Mann auf sie zugetorkelt kam, wichen Felix und die anderen Zuschauer lachend zurück; inzwischen wirkte er mutiger oder noch panischer. Es war ein tolles Straßentheater -
New York, New York
-, es herrschte eine muntere, ausgelassene Stimmung. Bis der bleiche, fette Mann plötzlich auf eine lachende Frau zuging und sie am Hinterkopf packte. Die Frau schrie und zappelte, und ein Teil ihres Kopfes löste sich unter seinem Griff. Einen Moment lang sah es tatsächlich so aus, als hätte er ihr den Schädel abgerissen, doch es war nur ihre Haarverlängerung.
    Damit war

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