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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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erstbesten schweren Gegenstand, den er finden konnte: einen Feuerlöscher. Dreimal schlug er Redfern den Boden der Stahlflasche ins Gesicht, und beim letzten Schlag knickte der Kopf des Piloten nach hinten weg. Die Wirbelsäule gab ein Knacken von sich, und Redfern brach zusammen. Eph ließ den Feuerlöscher fallen und taumelte zurück.
    Dann war Nora bei ihm, den Infusionsständer in der Hand, den sie drohend in Redferns Richtung hielt. Eph legte den Arm um sie. »Bist du okay?«, fragte er.
    Sie nickte. Dann deutete sie erschrocken auf den Piloten ... aus dessen Hals sich Würmer schlängelten. Rötliche, wie mit Blut gefüllte Würmer. Eph und Nora wichen zur Tür zurück.
    »Was zum Teufel geht hier vor, Eph?«, rief sie. »Mr. Leech«, erwiderte er.
    Im selben Moment hörten sie ein Stöhnen. Jim. Sie liefen hinaus, um sich um ihn zu kümmern.
     
    DRITTES ZWISCHENSPIEL
    Aufstand, 1943
     
    Der August brannte ein sengendes Loch in den Kalender, und Abraham Setrakian, der Balken für ein Dach auslegte, litt mehr als die anderen unter der Hitze; die Sonne quälte ihn jeden Tag aufs Neue. Aber schlimmer noch: Auch vor der Nacht hatte er eine regelrechte Abscheu entwickelt - vor seiner Pritsche, ja sogar vor den Träumen von zu Hause, einst die letzte Zuflucht vor den Grauen des Lagers - und war so die Geisel nicht nur eines, sondern zweier erbarmungsloser Herren.
    Sardu setzte die Besuche in Setrakians Baracke inzwischen nach einem regelmäßigen Muster fort: zweimal pro Woche. In den anderen Baracken verhielt es sich vermutlich genauso. Sowohl Wächter als auch Häftlinge beachteten die Todesfälle nicht weiter; das ukrainische Wachpersonal vermutete Selbstmorde, und für die SS bedeuteten sie nicht mehr als die Änderung eines Eintrags im Hauptbuch.
    In den Monaten nach dem ersten Besuch des Wesens versuchte Setrakian - inzwischen besessen von der Vorstellung, das Böse zu besiegen - von den Häftlingen aus der Gegend so viel wie möglich über eine alte Römergruft im nahe gelegenen Wald in Erfahrung zu bringen. Dort, davon war er überzeugt, hatte es seinen Schlupfwinkel, von dort tauchte es jede Nacht auf, um seinen Durst zu stillen.
    Dann, an einem Tag im August, erfuhr Setrakian, was Durst wirklich bedeutete. Wasserträger machten ständig die Runde unter den Häftlingen, wobei viele von ihnen selbst Opfer von Hitzschlägen wurden. Das brennende Loch erhielt an diesem Tag reichlich Nahrung.
    Setrakian hatte inzwischen alles organisiert, was er benötigte: ein frisches Stück Eiche und etwas Silber für die Spitze. Die alte Methode, den
strigoi
zu vernichten. Allein die Sachen in seine Baracke zu schmuggeln, hatte fast zwei Wochen Planung erfordert. Er hatte sie unmittelbar hinter seinem Bett in einer Nische verborgen und die Spitze tagelang heimlich geschärft, bevor er das Silber angebracht hatte. Sollten die Wachen sie finden, würden sie ihn auf der Stelle hinrichten - so, wie das Stück Holz geformt war, bestand gar kein Zweifel, dass es als Waffe dienen sollte.
    Die Nacht zuvor war Sardu später als gewöhnlich in die Baracke gekommen. Setrakian hatte still dagelegen und zugehört, wie sich das Wesen an einem gebrechlichen Roma gütlich tat. Er empfand Abscheu und Schuld und betete um Vergebung - aber es war ein zwingend notwendiger Teil seines Plans, dass sich die Kreatur den Bauch vollschlug. Dann würde sie weniger wachsam sein.
    Das blaue Licht des anbrechenden Tages sickerte durch die vergitterten Fenster an der Ostseite der Baracke. Das war das Signal für Setrakian. Er stach sich in die Kuppe des Zeigefingers, und eine purpurne Perle erschien auf der trockenen Haut.
    Doch was dann geschah - damit hätte er nie und nimmer gerechnet.
    Bis jetzt hatte das Wesen noch nie einen Laut von sich gegeben, hatte seine unheiligen Mahlzeiten in absoluter Stille eingenommen. Nun, beim Geruch des Blutes, den der junge Setrakian verströmte,
ächzte
es. Es klang wie das Knarren trockenen Holzes. Oder das Gurgeln von Wasser in einem verstopften Abflussrohr.
    Sekunden später stand das Wesen vor seiner Pritsche. Während Setrakian vorsichtig die Hand nach hinten schob, um nach dem Pflock zu greifen, trafen sich ihre Blicke.
    Das Wesen lächelte ihn an. Und sprach.
    »Es ist so lange her, dass wir beim Essen in lebendige Augen geschaut haben«, sagte es. »Eine Ewigkeit ... « Sein Atem roch nach Erde und Kupfer, und seine Zunge schnalzte beim Sprechen. Seine tiefe Stimme klang wie ein Amalgam vieler Stimmen und

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