Die Saat
angesichts des Wissens, der
Gewissheit,
dass Gott nicht mehr in seinem Herzen war. Dort war nur noch das brennende Loch.
Setrakian weinte, weil er gescheitert war, weil sein Glaube gescheitert war, und er spürte, wie die Mündung der Pistole gegen seinen Hals drückte ...
Und dann hörte er Schüsse. Von der anderen Seite des Lagers. Dort hatte eine Gruppe Häftlinge die Wach türme gestürmt und erschoss jeden uniformierten Offizier in Sichtweite.
Der Mann hinter Setrakian lief einfach davon. Ließ ihn am Rand der Grube zurück.
Ein Pole, der neben ihm kauerte, stand auf und begann zu rennen - und in diesem Moment strömte die Willenskraft in den Körper des jungen Setrakian zurück. Mit den Händen vor der Brust sprang er auf und rannte auf den Stacheldrahtzaun zu.
Schüsse peitschten durch die Luft. Wächter wie Häftlinge wurden getroffen, stürzten zu Boden. Rauch stieg auf, diesmal nicht nur aus der Grube: Überall im Lager loderten Brände. Setrakian schaffte es zum Zaun, und irgendwie, mit Hilfe unbekannter Hände, die ihn hinüberhoben, die taten, was er mit seinen Händen nicht mehr tun konnte, gelangte er auf die andere Seite.
Er lag auf dem Boden. Maschinengewehrsalven bohrten sich in die Erde um ihn herum - und wieder halfen ihm rettende Hände auf.
Und während seine Helfer von Kugeln zerfetzt wurden, rannte Setrakian. Rannte und rannte und merkte dabei, wie er weinte - denn in der Abwesenheit Gottes hatte er den Menschen gefunden. Mensch tötet Mensch, Mensch hilft Mensch.
Eine Frage der Entscheidung.
Er rannte immer noch, als die österreichischen Verstärkungseinheiten in die Umgebung des Lagers ausschwärmten. Und er entkam. Seine nackten Füße bluteten, doch nichts konnte ihn mehr aufhalten, nachdem er einmal den Zaun überwunden hatte. Sein Verstand kannte nur noch ein einziges Ziel, als er schließlich den Wald erreichte und sich in der Nacht versteckte.
Morgengrauen
Polizeirevier 17th Precinct, East
51 st Street, Manhattan
Abraham Setrakian verlagerte sein Gewicht beim Versuch, eine halbwegs bequeme Position auf der Bank in der Zelle einzunehmen. Er hatte die Nacht in einem Raum mit gläsernen Wänden zugebracht - gemeinsam mit vielen der Diebe, Betrunkenen, Perversen, mit denen er nun erneut eingesperrt war - und dabei ausreichend Zeit gehabt, sich sein törichtes Verhalten vor der Gerichtsmedizin noch einmal vor Augen zu führen.
Natürlich hatte er auf Dr. Goodweather wie ein verrückter alter Mann wirken müssen. Offenbar hatte er seinen Höhepunkt überschritten, begann zu trudeln wie ein Kreisel, der langsam aufhört sich zu drehen. Die Jahre des Wartens auf genau diesen Moment, das Leben auf dem schmalen Grat zwischen Angst und Hoffnung forderten ihren Tribut.
Altern bestand darin, sich ständig selbst zu kontrollieren.
Die Dinge fest im Griff zu behalten. Sich zu vergewissern, dass man noch man selbst war.
Doch das war es nicht. Seine Gewissheit war so stark wie eh und je. Das einzige wirkliche Problem, das er im Moment hatte, war, dass ihn die Hoffnungslosigkeit in den Wahnsinn trieb. Er saß in einem Polizeirevier in Midtown Manhattan, während überall um ihn herum ...
Denk nach, alter Narr! Es muss einen Ausweg geben. Du bist schon weitaus Schlimmerem entkommen.
Vor seinem geistigen Auge ließ er noch einmal die Szene ablaufen, die er im Wachraum miterlebt hatte. Er hatte seinen Namen und seine Anschrift zu Protokoll gegeben, sich erklären lassen, was die gegen ihn vorgebrachten Beschuldigungen, Ruhestörung und Hausfriedensbruch, für Konsequenzen haben konnten, und unterschrieb gerade eine Quittung für den konfiszierten Gehstock - »Er hat großen persönlichen Wert für mich«, hatte er dem Sergeant gesagt und seine Herzpillen, als ein vielleicht achtzehn-, neunzehnjähriger mexikanischer jugendlicher hereingeführt wurde. Der junge war offensichtlich verprügelt worden, das Gesicht zerkratzt, das Hemd zerrissen. Und er hatte Brandlöcher auf Hose und Hemd.
»Das ist doch völliger Quatsch, Mann!«, rief der junge, worauf seine Arme von den Cops straff nach hinten gezogen wurden. Dann schoben sie ihn weiter. »Der
puto
war völlig durchgeknallt.
Loco,
Mann. Er ist nackt auf der Straße rumgerannt. Hat Leute angefallen.
Uns.«
Die Beamten drückten ihn ziemlich unsanft auf einen Stuhl. »Ihr habt ihn nicht gesehen, Mann. Das Arschloch hat
weiß
geblutet. Und er hatte dieses ...
Ding
da im Mund. Scheiße, Mann, das war kein Mensch!«
Einer der
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