Die Sache mit Callie und Kayden
seine Worte an mein Leben zu Hause erinnern und wie sehr ich es hasse. »Vielleicht.«
Kayden benetzt seine Lippen, als wollte er mich küssen, und so sehr ich es mir wünsche, habe ich immer noch Angst, dass er es aus lauter Mitleid will. Wir stehen vor dem Eingang meines Wohnheims, und ich greife nach dem Türknauf. »Danke fürs Bringen«, sage ich und ziehe meine Finger aus seiner Hand. Mit diesen Worten lasse ich ihn verblüfft stehen und laufe den Flur hinunter. Ich versuche, nicht zum Waschraum zu sehen, als ich daran vorbeilaufe, aber ich kann an nichts anderes denken, und so kehre ich schließlich doch um und renne hinein.
Danach kann ich wieder atmen.
Kayden
Ich kann nicht aufhören, an das zu denken, was Callie geschehen ist. Sicher dachte sie, dass es mich abschrecken würde, wenn sie es mir erzählt, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich will nichts lieber als bei ihr sein und sie beschützen, so wie es für mich nie jemand getan hat. Ich will alles tun, damit ihr nichts Schlimmes mehr passiert.
Die Feiertage rücken näher, und ich bereite mich auf die Heimreise vor. Ehrlich gesagt will ich nicht nach Hause, nur wo soll ich sonst hin? Ich habe ja niemanden außer meiner Mom und meinem Dad, so gescheitert sie auch sind. Und meine Mom fleht mich regelrecht an, sagt mir, dass Tyler da sein wird und ich ihn seit Jahren nicht gesehen habe. Ich frage mich, wie er heute drauf ist, nach jahrelangem Trinken.
Callie und ich haben die letzten Tage zusammenverbracht, Filme geguckt und geredet. Alles rein freundschaftlich. Nicht weil ich es so will, sondern weil ich keinen Schimmer habe, wie ich mehr daraus machen könnte.
Ich komme aus meinem letzten Kurs vor den Ferien und bin auf dem Weg zum Wohnheim, als ich Callie unter den Bäumen sehe. In einer schwarzen Jeans und einem langärmligen grauen Shirt wandert sie langsam umher und liest etwas.
»Ist es gut?«, frage ich, als ich vor ihr stehe.
Sie sieht erschrocken auf und klappt das Buch zu, bei dem es sich, wie ich jetzt bemerke, um ihr Tagebuch handelt. »Hey, was tust du hier?«
Ich sehe zu dem Buch und ziehe eine Braue hoch. »Übrigens musst du mich eines Tages mal lesen lassen, was du da so reinschreibst.«
Rasch schüttelt sie den Kopf, drückt das Buch an die Brust und wird rot. »Kommt nicht in Frage.«
Ihre Reaktion macht mich erst recht neugierig.
Wir gehen gemeinsam über den Rasen.
»Hast du schon entschieden, ob du nach Hause fährst?«, frage ich und schiebe meine Hände in die Hosentaschen. »Ich fände es ehrlich gut.«
Sie runzelt die Stirn. »Meine Mom auch, aber ich weiß nicht … Ich bin einfach nicht gerne zu Hause. Es erinnert mich an zu vieles.«
»Geht mir nicht anders«, stimme ich ihr zu. »Und deshalb sollten wir zusammen hinfahren. Wir können uns jeden Tag freinehmen und etwas gemeinsam machen. Luke ist ebenso ungern zu Hause, also fährt er uns sicher überallhin.«
Sie blickt sehr skeptisch zu mir auf. »Okay, ich denke drüber nach.«
»Du klingst nicht überzeugt.«
»Es ist nur … Mir kommt es so unglaublich vor, dass ich irgendwas mit dir und Luke unternehme.«
»Wieso?«
Sie zuckt mit den Schultern und stochert mit ihrer Schuhspitze im Matsch am Rasenrand. »Weil wir das früher nie haben. Wir kennen uns seit Jahren, reden aber erst miteinander, seit wir hier sind. Weit weg von Afton.«
Ich springe vor sie, sodass sie beinahe in mich hineinläuft. »Denkst du etwa, ich ignoriere dich, sobald wir wieder dort sind?«
Sie zieht die Schultern hoch und starrt auf den Boden. »Das ist irgendwie unvermeidlich. Viele von denen, mit denen du früher zu tun hattest, mögen mich nicht.«
Mit einem Finger hebe ich ihr Kinn an und sehe in ihre traurigen blauen Augen. »Meinst du Daisy?«
»Daisy, ihre Freundinnen, jeden, der mit uns in der Schule war«, antwortet sie elend. »Aber das ist egal. Mir ist vor allem nicht danach, nach Hause zu fahren.«
Sie schiebt ihre Karte durch das Schloss, und ich halte ihr die Tür zu ihrem Wohnheim auf. Warme Luft umweht uns, als wir den leeren Flur hinuntergehen. »Was willst du dann machen? Alleine hierbleiben?«
»Ich bin schon groß«, sagt sie, als wir zum Fahrstuhl gehen, und schüttelt den Kopf, als ich grinse. »Schon gut, nicht im wörtlichen Sinn.«
Der Aufzug fährt nach oben, und ich schweige, während ich überlege, wie ich sie überreden kann, mit mir zu kommen. Vor ihrer Tür werde ich panisch. Der Gedanke, sie allein hier zu lassen, versetzt mir einen
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