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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hatte.
    Peinlich berührt, wandte er seinen Blick ab und sah Agnes an. »Wo ist das Schwein?«, fragte sie vorwurfsvoll.
    »Da waren noch zwei andere Outlaws«, erwiderte Tom, und Alfred fügte hinzu: »Wir haben die beiden niedergeschlagen, aber der mit dem Schwein ist uns entkommen.«
    Agnes quittierte die Worte mit einem finsteren Blick, sagte aber kein Wort mehr.
    »Wir sollten das Mädchen in den Schatten legen«, bemerkte die Fremde. »Allerdings müssen wir dabei vorsichtig sein.«
    Sie erhob sich, und Tom erkannte, dass sie nicht besonders groß war, gut einen Fuß kleiner als er selbst. Er bückte sich und nahm Martha behutsam auf. Ihr kindlicher Körper kam ihm beinahe gewichtslos vor. Ein paar Schritt weiter bettete er das nach wie vor völlig kraftlose Mädchen auf eine grasbewachsene Stelle am Fuße einer alten Eiche.
    Alfred sammelte die Werkzeuge ein, die seit dem Überfall auf der Straße lagen. Der fremde Knabe sah ihm mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund zu. Er mochte ungefähr drei Jahre jünger sein als Alfred und sah recht merkwürdig aus. Tom fiel auf, dass ihm der sinnliche Reiz seiner Mutter völlig fehlte. Er hatte sehr blasse Haut, hellrote Haare, leicht hervortretende grüne Augen und den stierend-blöden Blick eines Dummerjans. Eines dieser Kinder, die, wenn sie nicht jung sterben, später als Dorftrottel enden, dachte Tom. Alfred fühlte sich unter diesem Blick sichtlich unwohl.
    Unvermittelt riss der fremde Knabe ohne ein Wort der Erklärung Alfred die Säge aus der Hand und betrachtete sie, als habe er so etwas noch nie gesehen. Alfred, wütend über diese Ungehörigkeit, nahm ihm die Säge wieder ab, was der Junge ohne Gemütsbewegung zuließ. Die Mutter rief: »Jack! Benimm dich!« Sein Verhalten war ihr offensichtlich peinlich.
    Tom sah sie an. Zwischen ihr und dem Kind bestand nicht die geringste Ähnlichkeit. »Seid Ihr die Mutter?«, fragte er.
    »Ja, die bin ich. Ich heiße Ellen.«
    »Wo ist Euer Mann?«
    »Er ist tot.«
    Das war eine Überraschung. »Seid Ihr etwa alleine unterwegs?«, fragte Tom ungläubig. Diese Wälder waren schon für einen Mann wie ihn gefährlich genug – eine Frau konnte kaum darauf hoffen, sie lebend wieder zu verlassen.
    »Wir sind nicht unterwegs«, antwortete Ellen. »Wir leben hier im Wald.«
    Tom war entsetzt. »Das heißt, Ihr seid …« Er sprach nicht weiter, weil er die Frau nicht beleidigen wollte.
    »Outlaws, jawohl«, sagte Ellen. »Oder meint Ihr etwa, alle Outlaws sehen so aus wie Faramond Openmouth, der Euch das Schwein gestohlen hat?«
    »Ja«, sagte Tom, obwohl er eigentlich hätte sagen wollen, ich hätte nie gedacht, dass es unter den Outlaws so schöne Frauen gibt. Unfähig, seine Neugier zu zügeln, fragte er: »Was war Euer Vergehen?«
    »Ich habe einen Priester verflucht«, sagte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
    Gar so schlimm war dieses Vergehen in Toms Augen nicht. Vielleicht war es ja ein sehr mächtiger Priester gewesen – oder ein überempfindlicher. Oder aber Ellen zog es vor, die Wahrheit für sich zu behalten.
    Er sah Martha an. Kurz darauf öffnete das Mädchen die Augen. Sie war verwirrt und hatte wohl auch ein wenig Angst. Agnes kniete sich neben sie. »Es ist alles gut«, sagte sie. »Du bist in Sicherheit.«
    Martha setzte sich auf und übergab sich. Agnes hielt sie im Arm, bis die Krämpfe vorüber waren. Tom dachte: Alle Achtung, Ellens Voraussage hat sich erfüllt. Und wenn sich auch der zweite Teil erfüllt, wird es Martha gleich wieder bessergehen. Er fühlte sich auf einmal ungeheuer erleichtert und war selbst überrascht von der Stärke dieser Empfindung. Ich hätte es nicht ertragen, wenn ich mein kleines Mädchen verloren hätte, dachte er und kämpfte mit den Tränen. Ellen bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick, und erneut war ihm, als schauten ihm ihre blassgoldenen Augen direkt ins Herz.
    Er brach einen Zweig von der Eiche, streifte die Blätter ab und reinigte damit Marthas Gesicht. Das Mädchen war noch immer sehr blass.
    »Sie braucht jetzt Ruhe«, sagte Ellen. »Lasst sie ausruhen – so lange, wie ein Mann braucht, um drei Meilen zurückzulegen.«
    Tom prüfte den Sonnenstand. Der Tag war noch lang. Er beschloss zu warten und machte es sich bequem. Agnes wiegte Martha sanft in ihren Armen. Der Knabe Jack richtete seine Aufmerksamkeit jetzt auf die kleine Verwundete und starrte sie mit demselben Idiotenblick an wie zuvor Alfred. Tom hätte gern mehr über Ellen erfahren und fragte

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