Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
so viele Fass Äpfel, so und so viele Fuhren Rüben. Die nicht verpachteten Höfe wurden von Mönchen geführt, die jedoch nicht imstande zu sein schienen, gut verkäufliche Überschüsse zu erwirtschaften. Die zweite Einnahmequelle der Priorei waren die ihr gehörenden Kirchen, die zur Ablieferung des Zehnten verpflichtet waren. Unglücklicherweise unterstanden sie dem Sakristan. Wie viel genau er einnahm und was er mit dem Geld machte, ließ sich nicht so ohne Weiteres feststellen. Aus dem miserablen baulichen Zustand der Kathedrale konnte man nur schließen, dass die Einkünfte nicht sehr hoch waren – oder aber der Sakristan ging mit dem Geld schlecht um, was um so verblüffender war, als er über die Jahre eine eindrucksvolle Kollektion juwelengeschmückter Gefäße und anderer Kirchengeräte zusammengetragen hatte.
Philip wusste, dass er sich die Zeit nehmen musste, den weit verstreuten Klosterbesitz persönlich in Augenschein zu nehmen; erst dann würde er genauer Bescheid wissen. Fest stand nur so viel: Um die täglich anfallenden Kosten bestreiten zu können, hatte der alte Prior über Jahre hinaus bei Geldverleihern in Winchester und London große Summen geborgt. Dementsprechend hoch war die Verschuldung. Die Erkenntnis hatte Philip mit tiefer Niedergeschlagenheit erfüllt.
Er dachte viel darüber nach, suchte Trost im Gebet, und nach einer Weile begann sich eine Lösung abzuzeichnen. Er entwickelte einen Dreistufenplan. Zunächst wollte er die Finanzverwaltung des Klosters an sich ziehen. Bisher war es so, dass jeder Klosteroffiziale für bestimmte Bereiche zuständig war und mit den Einkünften aus seinem Bereich auch die fälligen Ausgaben bestritt. Der Cellerar, der Sakristan, der Gästemeister, der Novizenmeister und der Krankenmeister – alle hatten sie ihre ›eigenen‹ Bauernhöfe und Kirchen. Natürlich würde keiner von ihnen je zugeben, dass er zu viel Geld hätte. Wer Überschüsse erwirtschaftete, gab das Ersparte aus Furcht, man könne es ihm fortnehmen, schnell wieder aus. Philip beschloss, das neue Amt eines Kämmerers einzuführen, dessen Aufgabe es sein sollte, sämtliche Einkünfte des Klosters zu verwalten und den Offizialen nur das Geld auszubezahlen, das sie tatsächlich brauchten.
Der Kämmerer musste natürlich einer von Philips Vertrauten sein. Zuerst dachte er, Cuthbert Whitehead, den Kellermeister, mit dem Amt zu betrauen, doch dann fiel ihm Cuthberts Abneigung gegen schriftliche Aufzeichnungen ein. Das war schlecht. Über alle Einkünfte und Ausgaben sollte forthin genau Buch geführt werden. So fiel Philips Wahl auf Bruder Milius, den jungen Küchenmeister. Eines stand fest: Gleichgültig, wer das neue Amt nun erhielt – allein seine Einführung würde den Offizialen des Klosters übel aufstoßen. Philip fürchtete ihren Widerstand jedoch wenig: Er war jetzt Prior und hatte das Sagen – und die Mehrzahl der Mönche wusste oder ahnte zumindest, wie es um das Kloster bestellt war. Sie würden seine Reformen gutheißen.
Sobald Philip die Finanzen des Klosters unter Kontrolle hatte, wollte er den zweiten Teil seines Dreistufenplans in die Tat umsetzen.
Die Pacht für alle entfernt gelegenen Klostergüter sollte fürderhin in Bargeld bezahlt werden. Damit entfielen zunächst einmal die umständlichen Warentransporte. Es gab zum Beispiel ein Gut in Yorkshire, dessen ›Pacht‹ sich auf zwölf Lämmer im Jahr belief. Treu und brav lieferte der Pächter also Jahr für Jahr zwölf Lämmer nach Kingsbridge, obwohl die Transportkosten den Wert der Tiere überstiegen und die Hälfte von ihnen unterwegs krepierte. In Zukunft sollte das Kloster ausschließlich von Höfen aus der näheren Umgebung versorgt werden.
Des Weiteren beabsichtigte Philip, das herkömmliche Bewirtschaftungssystem der Klostergüter zu ändern. Jeder Hof produzierte zur Zeit noch von allem etwas – ein wenig Getreide, ein wenig Fleisch, ein wenig Milch und so weiter. Seit Jahren schon hielt Philip diese Methode für unwirtschaftlich. Der Ertrag der Höfe reichte immer gerade für den Eigenbedarf – oder, anders ausgedrückt: Jeder Hof schaffte es, immer gerade so viel zu verbrauchen, wie er erwirtschaftete. Philip wollte erreichen, dass die Höfe sich auf bestimmte Erzeugnisse spezialisierten. So sollte sich der Getreideanbau auf eine Reihe von Dörfern in Somerset konzentrieren, wo die Priorei auch einige Mühlen besaß. In den üppig begrünten Hügeln von Wiltshire sollte die Fleisch- und
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