Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Refektorium in den Küchenhof gegangen, doch war die Tür nachts verschlossen. Durch den Bogen im Südgang kam er zur Rückseite der Küche. Nichts deutete auf ein Feuer hin, weder in der Brauerei noch im Backhaus, und es roch auch nicht mehr so stark nach Rauch. Er rannte noch ein Stück weiter und spähte über den Rasen zum Gästehaus und zu den Ställen hinüber. Nichts rührte sich, alles war still.
Konnte das Feuer im Dormitorium ausgebrochen sein? Es war das einzige Klostergebäude mit eigener Feuerstelle, das er noch nicht überprüft hatte. Allein der Gedanke an einen Brand im Dormitorium war haarsträubend. Ihn überkam die schauerliche Vision von lauter Mönchen, die vom Rauch betäubt auf ihren Lagern ruhten, während das Gebäude lichterloh brannte … Kurz bevor er die Tür des Dormitoriums erreichte, wurde diese von innen geöffnet, und Cuthbert Whitehead trat ihm entgegen. Er trug ein Binsenlicht in der Hand.
»Riechst du’s?«, fragte Cuthbert ohne Umschweife.
»Ja – was ist mit den Brüdern?«
»Hier brennt’s nicht.«
Philip war erleichtert. Wenigstens war seine Herde wohlauf. »Wo dann?«
»Vielleicht in der Küche …«, sagte Cuthbert.
»Nein, da habe ich schon nachgesehen.« Nun, da er wusste, dass keine Menschenleben in Gefahr waren, sorgte sich Philip um seinen Besitzstand. Er hatte sich die ganze Zeit mit der Finanzlage des Klosters befasst und wusste, dass er sich keine Gebäudereparaturen leisten konnte. Sein Blick fiel auf die Kathedrale. War da ein leichter roter Schimmer hinter den Fensterlöchern?
»Geh zum Sakristan, und hol den Kirchenschlüssel, Cuthbert«, sagte er.
Cuthbert eilte schon voraus. »Ich hab den Schlüssel bei mir«, rief er.
»Guter Mann!«
Über den Kreuzgang liefen sie zum südlichen Eingang des Querschiffs. Hastig steckte Cuthbert den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Kaum hatten sie die Tür geöffnet, da wallten ihnen Rauchschwaden entgegen.
Philip stockte das Herz. Seine Kirche brannte! Wie konnte das geschehen?
Er trat ein. Seinen Augen bot sich ein verwirrendes Bild: Gleich vor ihnen, im südlichen Querhaus und um den Altar herum lagen riesige brennende Balken auf dem Boden. Wo kamen sie her? Und woher kam der donnernde Lärm, der doch von einem viel größeren Feuer herzurühren schien?
Cuthbert rief: »Da oben! Sieh doch!«
Philip hob den Kopf und fand mit einem Schlag all seine Fragen beantwortet. Die bemalte Holzdecke brannte lichterloh, von unten sah es aus wie das Fegefeuer. Der größte Teil war bereits verbrannt und gab den Blick auf die lodernden Balken und Streben des Dachstuhls frei, um die herum Flammen und Rauch einen wahren Teufelstanz aufführten. Philip war vor Schreck wie gelähmt. Erst, als ihn seine Halsmuskeln zu schmerzen begannen, kam er wieder zu sich.
Er rannte weiter, hielt in der Vierung kurz inne, lief weiter, blieb auch vor dem Altar kurz stehen, sah sich in der ganzen Kirche um. Das gesamte Dach stand in Flammen, vom Portal im Westen bis zur Apsis im Osten sowie über den beiden Querhäusern. Wie kriegen wir das Wasser rauf? , fragte er sich in einem Anflug von Panik … mit einer Eimerkette über Wendeltreppe und Galerie? Unmöglich. Selbst mit hundert Mann bekommen wir nicht die Wassermengen hinauf, die wir bräuchten, um dieses donnernde Inferno zu löschen. Das Dach ist nicht mehr zu retten; er sah es ein. Und bis wir das Geld für ein neues Dach haben, ist die Kirche Schnee und Regen schutzlos preisgegeben …
Direkt über seinem Kopf ertönte ein Bersten und Krachen. Als er nach oben blickte, sah er, wie sich ein schwerer Balken langsam nach unten senkte und ihm auf den Kopf zu fallen drohte. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er zurück ins südliche Querhaus, wo Cuthbert schreckensbleich auf ihn wartete.
Ein ganzer Abschnitt des Dachstuhls brach ein – drei Dreiecke aus Balken und Streben samt den daran festgenagelten Bleiplatten. Ohne an ihre eigene Gefährdung zu denken, starrten Philip und Cuthbert wie gebannt auf die Szenerie. Das Dach stürzte auf einen der großen Rundbogen der Vierung, und das Mauerwerk barst mit einem explosionsartigen Knall, der widerhallte wie Donnerrollen. Alles ging merkwürdig langsam vor sich: Die Balken senkten sich langsam, der Bogen brach langsam, und die zerborstenen Steine taumelten langsam zu Boden. Weitere Dachbalken lösten sich, und dann stürzte mit tiefem Grollen ein Teil der Nordmauer der Apsis ein und rutschte seitwärts ins nördliche
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