Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Milchwirtschaft erblühen, und in der Zelle St.-John-in-the-Forest auch weiterhin die Ziegenzucht und die Herstellung von Ziegenkäse betrieben werden.
Hauptpunkt der landwirtschaftlichen Reformen war jedoch die Umwandlung aller kleineren und mittleren Höfe mit armen, unergiebigen Böden in Schafzuchten.
Philip hatte seine Jugend in einem Kloster verbracht, zu dem eine Schafzucht gehörte (in jenem Teil von Wales lebten alle Bauern von der Schafzucht). Langsam, aber stetig war der Wollpreis gestiegen, Jahr für Jahr, seit Philip sich erinnern konnte, und bis in die Gegenwart hinein. Mit Schafen ließ sich die dauernde Geldknappheit des Klosters in absehbarer Zeit beheben.
Die dritte Stufe des Plans sah den Abriss der Kathedrale und die Errichtung einer neuen vor.
Die alte Kirche war ebenso hässlich wie unpraktisch, und der Umstand, dass der Nordwestturm eingestürzt war, deutete darauf hin, dass das ganze Gebäude morsch und baufällig war. Moderne Kirchen waren höher, länger und – vor allem – heller. Sie boten Platz für alles, was Pilger, die von weither kamen, sehen wollten – für bedeutende Grabmäler und Heiligenreliquien. Die Kathedralen der neuen Zeit waren mit zusätzlichen kleineren Altären ausgestattet und besaßen Seitenkapellen, die bestimmten Heiligen geweiht waren. Eine unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse errichtete Kathedrale würde den immer vielfältigeren Anforderungen moderner Gottesdienste gerecht werden und weit mehr Gläubige und Pilger nach Kingsbridge führen, als dies bisher der Fall war. Langfristig würde sie auf diese Weise sogar die Baukosten wieder einspielen. Zuerst, dachte Philip, saniere ich die Klosterfinanzen – und dann erbaue ich als Symbol für die Wiedergeburt des Klosters eine neue Kathedrale.
Sie soll die Krönung meines Lebenswerks sein.
Zehn Jahre werde ich brauchen, bevor ich genug Geld habe, um mit dem Bau beginnen zu können, dachte er und erschrak. Da bin ich dann ja schon fast vierzig! Die Vorstellung war nicht sehr erbauend. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er vielleicht schon in einem Jahr so weit sein würde, ein paar unerlässliche Renovierungsarbeiten an der alten Kirche durchführen zu lassen. Zum übernächsten Pfingstfest würde sie dann immerhin schon ganz manierlich aussehen.
Sein Plan war fertig. Philip war wieder froh und zuversichtlich. Er war bereits dabei, sich in Detailfragen zu vertiefen, als er in der Ferne ein dumpfes Krachen hörte; es klang, als habe jemand eine große Tür zugeworfen. War jemand wach und machte sich im Dormitorium oder im Kreuzgang zu schaffen? Wenn es was Ernstes ist, werde ich’s früh genug herausfinden, dachte er bei sich, und seine Gedanken schweiften ab und befassten sich wieder mit Pacht- und Zehntzahlungen. Eine weitere wichtige Geld- und Wohlstandsquelle der Klöster waren Schenkungen vonseiten der Eltern junger Zöglinge – nur: wer Novizen aus den entsprechenden Familien bekommen wollte, brauchte eine attraktive Klosterschule …
Erneut wurde er in seinen Überlegungen gestört. Das Krachen war lauter als beim ersten Mal und ließ sogar die Wände seines Hauses leicht erbeben. Das war bestimmt keine Tür, dachte er. Was geht denn da drüben vor? Er ging zum Fenster und öffnete den Laden. Der kühle Nachtwind blies herein und ließ ihn schaudern. Vom Fenster aus konnte er die Kirche, das Kapitelhaus, den Kreuzgang, das Dormitorium und die Küchengebäude dahinter überblicken. Alles schien in tiefstem Frieden zu liegen. Die Luft war so kalt, dass ihm beim Atmen die Zähne wehtaten. Aber da war noch etwas in der Luft. Er hob den Kopf und prüfte den Geruch. Es war Rauch.
Aufgeregt kniff er die Brauen zusammen. Nirgendwo war ein Feuer zu erkennen.
Er zog den Oberkörper zurück. Vielleicht ist es der Rauch von meiner eigenen Feuerstelle, dachte er, aber dem war nicht so.
Er wusste nicht, woran er war. In höchster Beunruhigung schlüpfte er in seine Stiefel, ergriff seinen Umhang und verließ im Laufschritt das Haus.
Philip rannte über den grasbewachsenen Vorplatz zum Kreuzgang. Unterwegs wurde der Rauchgeruch stärker. Es konnte jetzt kein Zweifel mehr daran bestehen, dass irgendwo auf dem Klostergelände ein Brand ausgebrochen war. Die Küche! , war sein erster Gedanke – fast alle Feuersbrünste gingen von einer Küche aus. Er lief durch die schmale Gasse zwischen südlichem Querhaus und Kapitelhaus und dann quer über den Klosterhof. Am Tag wäre er durchs
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