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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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überstehende Ende der Steinplatte. Remigius tat es ihm nach, und mit vereinten Kräften gelang es den Männern, die Platte anzuheben. Schließlich konnten sie sich zunächst auf die Knie und dann auf die Füße erheben. Die Grabplatte stand senkrecht. Ein letzter Stoß, und sie überschlug sich, polterte auf der anderen Seite auf den Boden und brach in zwei Teile.
    Philip warf einen Blick in den nun offenen Sarkophag. Der äußere Zustand des Sargs ließ nichts zu wünschen übrig. Das Holz wirkte fest, die eisernen Haltegriffe waren nur oberflächlich etwas angelaufen. Philip beugte sich hinein und packte zu, Remigius tat das Gleiche auf der gegenüber liegenden Seite. Es gelang ihnen, den Sarg ein paar Zoll weit anzuheben, doch war er wesentlich schwerer, als Philip erwartet hatte. Remigius ließ los, und der Sarg fiel zurück.
    »Ich kann das nicht«, sagte er. »Ich bin älter als Ihr.« Philip verkniff sich eine ärgerliche Bemerkung. Wahrscheinlich war der Sarg mit Blei ausgeschlagen. »Komm rüber!«, rief er Remigius zu. »Wir versuchen, ihn aufzustellen!«
    Gemeinsam fiel ihnen das Anheben des einen Endes verhältnismäßig leicht. Als der Sarg aufrecht stand, hielten sie kurz inne und verschnauften. Philip merkte erst jetzt, dass das Fußende nach oben zeigte – der Heilige stand also auf dem Kopf. Stumm leistete der Prior Abbitte. Eine nicht endenwollende Flut brennender oder glühender Holzstückchen regnete auf sie herab, und Remigius schlug jedes Mal, wenn ein paar Funken seine Kutte trafen, wie besessen darauf ein. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit warf er zudem angstvolle Blicke hinauf zum brennenden Dach. Philip entging nicht, dass den Mann rasch der Mut verließ.
    Sie neigten den Sarg über den Rand des Sarkophags, sodass er wie eine Wippe auf die andere Seite kippte und dort auf dem Boden aufschlug. Die heiligen Knochen werden herumgewirbelt wie Würfel im Becher, dachte Philip und gestand sich ein, dass er noch nie etwas so Unheiliges getan hatte – aber es gab keine andere Lösung.
    Sie schleiften den Sarg fort, wobei die eisenverstärkten Kanten kleine Furchen durch die festgestampfte Erde zogen. Sie hatten den relativen Schutz des Seitenschiffs noch nicht erreicht, als mit ohrenbetäubendem Krachen eine wirre Masse aus brennendem Holz und heißem Blei genau auf das offenstehende Grab des Heiligen fiel. Der Aufschlag ließ den Boden erzittern, und der Sarkophag zersprang in tausend Stücke. Ein großer Balken verfehlte Philip und Remigius nur um Haaresbreite und schlug ihnen den Sarg aus der Hand. Für den Subprior war das Maß voll.
    »Das ist Teufelswerk!«, schrie er wie von Sinnen und stürmte davon.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Philip wäre blindlings hinterhergerannt. Wenn der Teufel in dieser Nacht wirklich mit im Spiel war, ließ sich nicht absehen, was noch alles geschehen konnte. Philip hatte noch nie einen bösen Geist gesehen, kannte jedoch zahllose Augenzeugenberichte. Er rief sich zur Ordnung: Wir Mönche sind dazu da, dem Satan entgegenzutreten, und nicht, um vor ihm davonzulaufen! Fast sehnsüchtig sah er sich nach dem Seitenschiff um. Dann holte er tief Luft, packte die beiden Griffe auf der Stirnseite und wuchtete den Sarg hoch.
    Er schaffte es, ihn unter dem herabgestürzten Balken hervorzuziehen. Der Sarg wies einige Dellen und Absplitterungen auf, war aber überraschenderweise nicht zerbrochen. Glühende Asche regnete auf Philip herab. Er sah hinauf zum Dach. Tanzte da eine zweibeinige Gestalt in den Flammen – oder war es nur eine wirbelnde Rauchfahne? Als er den Kopf wieder senkte, sah er, dass der Saum seiner Kutte Feuer gefangen hatte. Er kniete nieder und schlug die brennenden Stellen auf den Boden. Die Flammen gingen sofort aus. Plötzlich ertönte ein merkwürdiges Geräusch, bei dem es sich um das Ächzen gemarterten Holzes oder das spöttische Lachen eines Dämons handelte. »Heiliger Adolphus, steh mir bei!«, rief er aus und packte wieder an.
    Bis zur nächsten Tür, die im südlichen Querhaus lag, war es noch weit. Philip wusste nicht, ob er es schaffen würde, bevor das, was vom Dach noch übriggeblieben war, in die Kirche stürzte. Vielleicht spekulierte der Teufel genau darauf. Unwillkürlich musste er wieder nach oben schauen. Die zweibeinige, rauchumwaberte Gestalt verschwand blitzartig hinter einem geschwärzten Balken. Er weiß, dass ich’s nicht schaffe, dachte Philip. Er spähte ins Seitenschiff, einmal mehr versucht, den Heiligen im

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