Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
kann. Sein Zorn auf den Baumeister war noch größer als seine Erregung über Remigius. Dessen Vorgehensweise empfand er indessen als heimtückisch. »Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?«, fragte er ihn. »Ich bin dein Vorgesetzter.«
»Ich habe es erst heute Vormittag erfahren.«
Philip lehnte sich geschlagen zurück. Remigius hatte ihm eins ausgewischt, und er, Philip, stand jetzt da wie ein Narr. Das war die Rache für die Niederlage bei der Priorwahl, dachte er und wandte seine Aufmerksamkeit Waleran zu. An ihn hatte sich die Klage gerichtet – sollte er jetzt das Urteil sprechen.
Waleran zögerte nicht. »Der Fall ist klar«, sagte er. »Die Frau muss ihre Sünde bekennen und öffentlich Buße tun. Sie muss die Priorei verlassen und ein Jahr lang getrennt von dem Baumeister in Keuschheit leben. Danach dürfen sie heiraten.«
Ein Jahr Trennung war ein hartes Urteil. Aber Philip fand es gerecht; die beiden hatten die Ehre des Klosters beschmutzt. Er fragte sich allerdings, wie die Frau das Urteil aufnehmen würde. »Was geschieht, wenn die Frau sich dem Spruch nicht beugt?«, fragte er.
Waleran hob die Schultern. »Dann wird sie in der Hölle braten.«
»Ich fürchte, der Baumeister wird sie begleiten, wenn sie Kingsbridge verlässt.«
»Es gibt andere Baumeister.«
»Gewiss.« Philip wollte Tom nicht verlieren. Waleran hingegen war anzusehen, dass er nichts dagegen hätte, wenn Tom und seine Mätresse Kingsbridge den Rücken kehrten und auf Nimmerwiedersehen verschwänden. Einmal mehr fragte er sich, was für ein Geheimnis diese Frau umgab.
»Und nun verlasst bitte diesen Raum, damit ich mich ungestört mit Eurem Prior unterhalten kann«, sagte Waleran.
»Augenblick noch!«, fuhr Philip dazwischen. Es war sein Haus, und die Männer waren seine Mönche. Wenn hier jemand Kommen und Gehen heißt, dann bin das ich, dachte er, nicht Waleran. »Ich werde mit dem Baumeister über diese Sache reden«, sagte er. »Außerdem wünsche ich, dass nichts von dem, was hier gesprochen wurde, an die Außenwelt dringt, hört ihr? Wer gegen diese Anordnung verstößt, kann sich auf eine empfindliche Strafe gefasst machen. Hast du das verstanden, Remigius?«
»Ja«, sagte Remigius.
Philip ließ ihn nicht aus den Augen. Er sagte kein Wort, doch sein Schweigen war beredt genug.
»Jawohl, Vater «, sagte Remigius endlich.
»Gut. Und jetzt geht.«
Sie gingen – Remigius, Andrew, Milius, Cuthbert und Dechant Baldwin. Waleran schenkte sich noch ein wenig Wein nach und streckte die Beine aus, sodass sie näher ans wärmende Feuer kamen. »Frauen stiften immer Unfrieden«, sagte er. »Ist eine rossige Stute im Stall, so schnappen die Hengste nach den Pferdeknechten, schlagen aus und sind kaum noch zu bändigen. Selbst die Wallache drehen durch. Zwar ist ihnen die körperliche Lust versagt, doch riechen können sie die heißen Fotzen allemal.«
Philip war peinlich berührt; er sah keinen Anlass für so deftige Worte. »Wie steht’s mit dem Neubau der Kirche?«, fragte er.
»Ja, richtig. Ihr habt vermutlich gehört, dass diese Angelegenheit, wegen der Ihr kürzlich bei mir vorspracht, einen für uns günstigen Ausgang genommen hat? Ich spreche von der Verschwörung des Grafen Bartholomäus gegen den König.«
»Ja, ich weiß Bescheid.« Philip hatte das Gefühl, der Besuch im bischöflichen Palast läge schon eine Ewigkeit zurück. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er, vor Angst zitternd, vorgebracht hatte, was er von dem Komplott gegen den von der Kirche gewählten Monarchen wusste. »Ich hörte, dass Percy Hamleigh die Burg gestürmt und den Grafen gefangen genommen hat.«
»So ist es. Bartholomäus sitzt in Winchester im Verlies und harrt seines Schicksals.« Waleran war mit dem Lauf der Dinge sichtlich zufrieden.
»Und Graf Robert von Gloucester? Er war der stärkere der beiden Verschwörer …«
»… und kommt daher auch glimpflicher davon. Im Grunde so gut wie straffrei. Er hat König Stephan die Treue geschworen, worauf man über seine Beteiligung an der Verschwörung einfach hinwegsah …«
»Aber was hat das mit unserer Kathedrale zu tun?«
Waleran erhob sich, ging zum Fenster und betrachtete die Ruine. Aufrichtige Trauer lag in seinem Blick, und Philip gestand sich ein, dass Waleran sich trotz seines weltlichen Gehabes ein frommes Herz bewahrt hatte. »Unser Beitrag zur Aufdeckung der Verschwörung bringt König Stephan in unsere Schuld. In nicht allzu ferner Zeit werden wir beide, Ihr
Weitere Kostenlose Bücher