Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
flatterndem Umhang. Philip und die höheren Klosteroffizialen warteten vor dem Stall, um die Gäste willkommen zu heißen.
    Philip wusste nicht genau, wie er Waleran behandeln sollte. Es war unbestreitbar, dass der Erzdiakon ihn hinters Licht geführt hatte. Er hatte ihm den Tod des Bischofs einfach verschwiegen. Als später die Wahrheit herauskam, schien dies Waleran nicht im Geringsten peinlich zu sein. Philip hatte schon damals nicht gewusst, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Inzwischen ging er davon aus, dass mit Klagen und Beschwerden kaum etwas zu erreichen war. Außerdem wurde die ganze Affäre inzwischen von der Brandkatastrophe überschattet. Philip nahm sich jedoch vor, gegenüber Waleran in Hinkunft höchste Vorsicht walten zu lassen.
    Obwohl er eine Wegstrecke von mehreren Meilen hinter sich hatte, war Walerans Hengst nervös und leicht erregbar. Philip behagte das nicht: Es ziemte sich nicht für einen Kleriker, den feurigen Reiter zu spielen. Die meisten Diener Gottes ritten ruhigere Gäule.
    Mit einer schwungvollen Drehung saß Waleran ab und übergab die Zügel einem Stallknecht. Philip entbot ihm einen förmlichen Gruß. Waleran drehte sich um und betrachtete die Kirchenruine. Sein Ausdruck verfinsterte sich. »Ein teures Feuer, Philip, in der Tat«, sagte er. Zu Philips gelinder Überraschung wirkte er aufrichtig bekümmert.
    Bevor der Prior antworten konnte, meldete sich Remigius zu Wort. »Das Werk des Teufels, verehrter Herr Bischof«, sagte er.
    »So, meint Ihr?«, erwiderte Waleran. »Nach meiner Erfahrung hat der Teufel in solchen Fällen meistens Helfer – zum Beispiel Mönche, die in der Kirche Feuer entzünden, um sich bei der Morgenandacht ein wenig zu wärmen. Oder gedankenlos brennende Kerzen im Glockenturm stehen lassen.«
    Philip gefiel, wie Waleran Remigius abfertigte. Dennoch konnte er die kaum verhohlenen Anschuldigungen Walerans nicht unwidersprochen lassen. »Ich habe eine Untersuchung der möglichen Ursachen des Brandes durchgeführt«, sagte er. »In jener Nacht wurden in der Kirche keine Feuer entzündet«, sagte er. »Ich weiß es genau, denn ich war selbst zugegen. Und oben auf dem Dach war schon monatelang kein Mensch mehr gewesen.«
    »Womit erklärt Ihr Euch dann das Feuer?«, fragte Waleran misstrauisch. »War es Blitzschlag?«
    Philip schüttelte den Kopf. »Wir hatten kein Gewitter. Das Feuer scheint in der Nähe der Vierung ausgebrochen zu sein. Wie üblich hatten wir auf dem Altar eine brennende Kerze stehen lassen. Ich halte es für möglich, dass das Altartuch Feuer fing und mit der aufsteigenden Luft Funken die Holzdecke erreichten. Sie war sehr alt und bestand aus äußerst trockenem Holz.« Philip hob die Schultern. »Ich weiß, dass diese Erklärung alles andere als befriedigend ist, aber wir haben zur Zeit keine bessere.«
    Waleran nickte. »Sehen wir uns den Schaden etwas näher an.«
    Sie gingen los. Bei den Männern in Walerans Begleitung handelte es sich um einen Bewaffneten und einen jungen Priester. Der Bewaffnete blieb beim Stall zurück, um sich um die Pferde zu kümmern. Der Priester begleitete Waleran und wurde Philip als Dechant Baldwin vorgestellt. Sie überquerten die große Freifläche vor der Kathedrale. Plötzlich legte Remigius Waleran die Hand auf den Arm, veranlasste ihn dadurch stehen zu bleiben und sagte: »Das Gästehaus ist unbeschädigt, wie Ihr seht.«
    Nun blieben auch die anderen alle stehen und drehten sich um. Gereizt fragte sich Philip, was Remigius nun schon wieder im Schilde führte. Die Frau des Baumeisters kam gerade vom Küchenhof her und verschwand vor aller Augen im Gästehaus. Philip riskierte einen Seitenblick auf Waleran und merkte, dass der hohe Gast sichtlich erschrocken war. Er musste wieder an die unvergessliche Szene am Bischofshof denken. Als Waleran damals der Frau ansichtig geworden war, hatte ihn schier das Entsetzen gepackt. Was war los mit dieser Frau?
    Waleran nickte Remigius kaum merklich zu und wandte sich an Philip. »Wer wohnt zur Zeit im Gästehaus?«, fragte er.
    Philip war überzeugt, dass Waleran die Frau wiedererkannt hatte, ließ sich jedoch nichts anmerken und sagte: »Ein Baumeister mit seiner Familie.«
    Waleran nickte, und sie setzten ihren Weg fort. Philip wusste jetzt, warum Remigius Waleran auf das Gästehaus aufmerksam gemacht hatte: Er wollte unbedingt, dass Waleran die Frau sah. Philip nahm sich vor, sie bei nächstbester Gelegenheit einem eingehenden Verhör zu

Weitere Kostenlose Bücher