Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
unterziehen.
Sie betraten die Ruine. Unter Toms Leitung waren sieben oder acht Mann, ungefähr zur Hälfte Mönche und Klosterbedienstete, dabei, einen schweren, halb verbrannten Dachbalken hochzuheben. Es herrschte große Geschäftigkeit. Insgesamt wirkte die Abbruchstelle überraschend gut aufgeräumt. Philip hatte das Gefühl, dass die rege Betriebsamkeit vor Ort ihm zugute kam, obwohl doch eigentlich Tom dafür verantwortlich war.
Der Baumeister kam auf die Besucher zu und begrüßte sie. Er überragte sie alle um Haupteslänge. »Tom Builder, unser Baumeister«, sagte Philip zu Waleran. »Er hat dafür gesorgt, dass Kreuzgang und Krypta bereits wieder benutzbar sind. Wir sind ihm dafür sehr dankbar.«
»Ich erinnere mich an Euch«, sagte Waleran zu Tom. »Ihr machtet mir kurz nach Weihnachten Eure Aufwartung. Ich konnte Euch allerdings keine Arbeit anbieten.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Tom mit seiner tiefen, staubigen Stimme. »Vielleicht war es Gottes Wille, mich in dieser schweren Zeit Prior Philip an die Seite zu stellen.«
»Ein theologischer Baumeister, hört, hört«, sagte Waleran spöttisch.
Ein leichter Anflug von Röte zeigte sich auf Toms staubverschmiertem Gesicht.
»Was habt Ihr als Nächstes vor?«, fragte Waleran.
»Aus Sicherheitsgründen müssen wir die noch stehenden Mauern niederreißen, sonst fallen sie eines Tages noch jemandem auf den Kopf«, antwortete Tom in gebührender Demut. »Danach sollten wir den Platz so weit aufräumen, dass wir mit dem Bau der neuen Kirche beginnen können. Außerdem wäre es ratsam, so schnell wie möglich große Bäume zu finden, die für den neuen Dachstuhl geeignet sind, je länger das Holz ablagert, desto besser wird das Dach …«
»Wir können keine Bäume fällen, bevor wir das Geld haben, sie zu bezahlen«, fuhr Philip hastig dazwischen.
»Darüber unterhalten wir uns später«, sagte Waleran geheimnisvoll.
Die Bemerkung fesselte Philips Aufmerksamkeit. Er hoffte darauf, dass Waleran einen Plan zur Finanzierung der neuen Kirche hatte. War die Priorei auf ihre eigenen Mittel angewiesen, so konnte erst in vielen Jahren mit dem Bau begonnen werden. Seit drei Wochen schon schlug sich Philip erfolglos mit diesem Problem herum.
Er führte die kleine Gruppe über den freigeräumten Pfad zum Kreuzgang. Waleran genügte ein Blick, um festzustellen, dass dieser Bereich bereits wiederhergestellt war. Vom Kreuzgang aus begaben sie sich zum Haus des Priors.
Kaum waren sie eingetreten, entledigte sich Waleran seines Mantels, nahm Platz und wärmte seine bleichen Hände über dem Feuer. Bruder Milius, der Küchenmeister, servierte heißen Glühwein in kleinen Holzschalen. Waleran nippte ein Schlückchen und sagte zu Philip: »Habt Ihr Euch schon mal mit dem Gedanken befasst, dass dieser Tom Builder das Feuer vielleicht selbst gelegt hat? Er brauchte dringend Arbeit …«
»Ja, das habe ich«, erwiderte Philip. »Aber ich halte es für ziemlich abwegig. Die Kirche war während der Nacht stets verschlossen. Wie hätte er hineinkommen sollen?«
»Vielleicht tagsüber. Er könnte sich versteckt haben.«
»Aber dann wäre er später nicht mehr herausgekommen.« Philip schüttelte den Kopf. »Wie dem auch sei, nach meinem Dafürhalten ist der Mann zu einer solchen Tat schlichtweg nicht fähig. Er ist ein kluger Kopf – weitaus gescheiter übrigens, als man bei der ersten Begegnung vermuten möchte –, doch fehlt ihm jede Art von Gerissenheit. Ich habe ihn danach gefragt, wie seiner Meinung nach der Brand entstanden sein könnte, und ihm dabei direkt in die Augen gesehen. Wäre er schuldig – seine Miene hätte es mir verraten.«
Waleran lenkte zu Philips Überraschung sofort ein. »Ich glaube, Ihr habt recht«, sagte er. »Ich kann mir den Mann schlecht als Brandstifter vorstellen. Es passt einfach nicht zu ihm.«
»Wahrscheinlich werden wir die genaue Brandursache nie erfahren«, meinte Philip. »Was uns jetzt vorrangig bewegt, ist die Frage der Finanzierung des Neubaus. Ich weiß nicht …«
»Gut, gut!« Waleran unterbrach ihn mit erhobener Hand und wandte sich an die anderen Personen in der Runde: »Ich muss mich mit Prior Philip unter vier Augen unterhalten. Die Übrigen mögen uns jetzt verlassen.«
Philip war neugierig. Was veranlasst Waleran zu dieser Geheimniskrämerei, dachte er.
»Ein Wort noch, bevor wir gehen, ehrwürdiger Bischof«, sagte Remigius. »Meine Mitbrüder haben mich gebeten, Euch noch etwas mitzuteilen.«
Was hat
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